IN SÜDAFRIKAS KAROO SOLL URAN GEWONNEN WERDEN. Die Gefahren für die Umwelt sind noch größer als bei der Erdgasgewinnung durch Fracking, das auf großen Widerstand durch Landbesitzer gestoßen ist. Jetzt droht der Karoo neu erwachtes Interesse aus Russland an den Uranlagerstätten. Stefan Cramer* verfolgt die Entwicklungen und schildert seine Beobachtungen und Erkenntnisse:
Die südafrikanische Karoo (wörtlich: Land des Durstes) ist eine riesige Halbwüste etwa von der Größe Deutschlands. Sie ist bekannt für ihre eindrucksvolle landschaftliche Schönheit. In der herben Kargheit dieser Schichtstufenlandschaft wird eine extensive Viehwirtschaft betrieben, die den Eindruck vermittelt, die Gegend sei menschenleer. Bekannter wurde die Region erst in den letzten Jahren durch die Planungen, hier große Mengen Erdgas durch das Fracking der permischen Schiefer dieses riesigen Sedimentbeckens zu gewinnen. Im Windschatten der niedrigen globalen Ölpreise und der sich vertiefenden Wirtschaftskrise Südafrikas ist es mittlerweile jedoch ruhiger um dieses Vorhaben geworden. Selbst sieben Jahre nach den ersten Anträgen der Industrie sind nicht einmal Aufsuchungsgenehmigungen erteilt. Unter der Hand lassen die Firmen (allen voran die Royal Dutch Shell) verlauten, dass sie nicht einmal die Absicht haben, eine solche Genehmigung zu nutzen, sollte sie jetzt erteilt werden. Zu groß sind die wirtschaftlichen und juristischen Risiken, zu gut organisiert ist der Widerstand der Landbesitzer, zu unklar sind die staatlichen Genehmigungsverfahren.
Doch während sich der noch junge südafrikanische Widerstand gegen das Fracking verwundert die Augen reibt, regt sich eine neue, gefährlichere und realistischere Bedrohung für die Region: Noch in diesem Jahr sollen mehr als 750.000 Hektar der Zentral-Karoo für den Uranbergbau freigegeben werden. Die Aufsuchungsarbeiten sind mit guten Ergebnissen abgeschlossen worden. Fast unbemerkt und ohne öffentliche Debatte bahnt sich eine Umweltkatastrophe großen Ausmaßes an.
Fracking-Gegner hatten bereits auf den z. T. hohen natürlichen Urangehalt der Karoo-Böden und auf die davon ausgehenden Gefahren bei der Schiefergasgewinnung hingewiesen. Ähnlich wie in Pennsylvania befürchteten sie beim Fracking die Freisetzung von radioaktiv verunreinigten Formationswässern in die Gewässer der Umgebung. Denn bereits seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts sind die weitflächigen Uranlagerstätten der Karoo bekannt und immer wieder untersucht worden. Sie konnten aber wirtschaftlich nicht mit dem als Nebenprodukt gewonnenen Uran der südafrikanischen Goldlagerstätten konkurrieren. Erst die erwartete „nukleare Renaissance“ der Jahre 2005-2008 erbrachte kurzfristig konkurrenzfähige Weltmarktpreise für Uran. Insbesondere der französische Staatskonzern Areva sicherte sich über lokale Mittelsmänner exklusive Aufsuchungsrechte, musste diese aber im Zuge der Unternehmenskrise 2011 abstoßen. Seitdem ist es vor allem russisches Kapital, das sich diese hochwertigen Lagerstätten als Teil seiner angestrebten Dominanz im südafrikanischen Energiemarkt sichert.
Russische Interessen
Noch gibt es keine öffentliche Diskussion zu diesem Vorhaben, das weitgehend im Verborgenen blieb. Niemand nahm Notiz davon, als 2007 die völlig unbekannte Firma Lukisa JV fast geräuschlos zahlreiche einzelne Höffigkeitsgebiete in den drei Karoo-Provinzen Northern Cape, Western Cape und Eastern Cape erwarb. Auf einen Schlag waren über 750.000 Hektar Aufsuchungsgebiete in einer Hand. Die Prospektionslizenzen wurden 2007 ohne öffentliche Debatte zugeteilt. Damit erhielt die Fa. Lukisa JV (in wechselnden Allianzen mit Esso, UraMin und Areva) Zugang zu allen früheren Untersuchungsergebnissen. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima-Daaichi und dem damit verbundenen Preisverfall von Uran auf dem Weltmarkt zeigten Investoren jedoch wenig Interesse an diesem Rohstoff mit seinen sehr unsicheren Marktchancen.
Das änderte sich erst, als Staatskonzerne der Volksrepublik China großflächig Uranlagerstätten in den Nachbarländern Namibia, Botswana, Simbabwe und Malawi erwarben. Die in Perth beheimatete Uranbergbau-Firma Peninsula Energy gründete mit Lukisa JV die südafrikanische Tasman RSA Mines mit Sitz in Beaufort-West. An ihr sind zahlreiche institutionelle Anleger beteiligt, vor allem aber die Pala Investments mit Sitz in Jersey (UK) und Zug (Schweiz). Pala hat seit seiner Gründung 2006 insgesamt in 87 Bergbauunternehmen in 25 Ländern auf allen sechs Kontinenten investiert. Die Firma wird von der Milliardärsfamilie Vladimir und Evgenij Iorich kontrolliert.
Das Geheimabkommen von 2014 zwischen Russland und Südafrika zum Bau von sechs Druckwasserreaktoren sieht ausdrücklich eine russische Kontrolle über die gesamte nukleare Wertschöpfungskette vom Bergbau über die Aufbereitung und Anreicherung, die Brennelemente-Herstellung, den Reaktorbau und -betrieb bis hin zur Endlagerung und dem nuklearen Rückbau vor. Erst in diesem Zusammenhang macht das neu erwachte (russische) Interesse an den Karoo-Lagerstätten Sinn.
Beziehungen zum ANC
Ein Blick auf die südafrikanische Beteiligung an diesem Projekt ist besonders interessant. Nach der herrschenden Gesetzgebung muss ein ausländischer Konzern einheimische schwarze Geschäftspartner an seinem Unternehmen beteiligen. Dieser sogenannte Black Economic Empowerment-Partner ist in diesem Fall die Fa. Lukisa JV, die mit insgesamt 26 Prozent an Tasman RSA Mines beteiligt ist. Sie bringt hauptsächlich die Bergbaurechte und bereits eine atomrechtliche Genehmigung als Kleinbergbaubetrieb auf radioaktive Stoffe in das Joint-Venture ein. Noch wichtiger aber sind die guten Beziehungen in die Regierungspartei ANC. Lukisa wurde von Andile Nkuhlu gegründet, einem führenden Mitglied der ANC-Jugendliga (ANC-NYL).
Andile Nkuhlu wurde Abteilungsleiter im Ministerium für Staatsbetriebe, bis er über einen Korruptionsskandal stolperte und seinem Rauswurf aus dem ANC durch die Gründung der Oppositionspartei Congress of the People (Cope) zuvorkam. Er wurde später wieder in den ANC aufgenommen und verstarb im November 2015. Schon seit längerem werden die Geschäfte von Lukisa JV von Tefo Maloisane geführt, dem beste Beziehungen zur Familie des südafrikanischen Staatspräsidenten Jacob Zuma nachgesagt werden.
Nach eigenen Angaben verfügt Tasman RSA Mines heute über die exklusiven Aufsuchungsrechte von ca. 750.000 Hektar in einem Umkreis von ca. 200 Kilometern um die Stadt Beaufort-West. In direkter Nähe dieser Kleinstadt wird eine zentrale Aufbereitungsanlage geplant. Davon sind 32.000 Hektar bereits in direktem Landbesitz der Firma.
Angesichts der empfindlichen Vegetation in der Karoo ist das Land nach Beendigung des Uranabbaus für Hunderte von Jahren selbst bei vollständiger Renaturierung auch ohne radioaktive Kontamination nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar. Nach den strengen Regeln der australischen Ressourcenschätzung JORC (Joint Ore Resources Committee) verfügt die Firma über ca. 57 Millionen Pfund U3O8 (ca. 25.000 t) Lagerstättenpotenzial mit einem Durchschnittsgehalt von ca. 0,1 Prozent U3O8 . Das Karoo-Uran befindet sich in sog. Paleo-Channels, also in Sandsteinen in Flussläufen aus der Perm-Zeit. Daher sind die Lagerstätten wie auf mehreren Schnüren aufgereiht.
Die Vorkommen liegen in nur fünf bis 50 Meter Tiefe, können also ganz überwiegend im Tagebau gewonnen werden. Sie sind insgesamt über eine riesige Fläche von der Größe Niedersachsens verteilt. Daher soll das Erz, das in der Regel einen Urangehalt von 0,1 Prozent (1.000 ppm) hat, über Hunderte von Kilometern Staubstraßen durch die hier besonders flache Karoo nach Beaufort-West transportiert werden. Für die dortige Aufbereitungsanlage hat die Firma bereits eine Genehmigung zur Grundwasserentnahme von 700 Million Liter Wasser pro Jahr gestellt. Das wäre fast die Hälfte der gesamten Grundwasserförderung der Zentral-Karoo.
Unklar ist, was mit dem bei der Aufbereitung verunreinigtem Wasser geschehen soll. Eine Einleitung der radioaktiven Abwässer in die Wasserläufe der Karoo ist undenkbar, ebenso die Verpressung in den Untergrund. Beides ist nach dem strengen südafrikanischen Wasserrecht verboten. Am wahrscheinlichsten ist die Anlage großer Setzbecken, in denen der verunreinigte Schlamm abgelagert wird. Die Restfeuchtigkeit wird verdunsten, während der belastete Staub vom Wind in alle Himmelsrichtungen verteilt wird. Schon jetzt ist die Umgebung von Beaufort-West durch die früheren Bergbauversuche und die Prospektion radioaktiv belastet. Erste Geländearbeiten des Autors in der Umgebung haben nur schlecht oder gar nicht gesicherte strahlende Altlasten in der Umgebung ergeben.
Radioaktive Staubwolken
Die Umwelt-Auswirkungen des Uranbergbaus sind – anders als bei der Schiefergasgewinnung – bereits bestens bekannt und erforscht. Insbesondere bestehen hochwertige Langzeitstudien aus Deutschland (Wismut AG), USA (Colorado) und Canada (Saskatchewan). Der Abbau des oberflächennahen Uranerzes im Tagebau wird in einer Halbwüste wie der Karoo bei Sprengung, Verladung und Transport riesige radioaktiv kontaminierte Staubwolken erzeugen. Der Niederschlag daraus wird sich weit über die eigentliche Bergbauregion hinaus auf die gesamte Karoo und darüber hinaus ausbreiten. Radioaktiver Staub führt, insbesondere wenn er eingeatmet wird, zu Schädigungen der Lunge, des Blutes und der Nieren. Staubunterdrückung und die Aufbereitung benötigen große Mengen Frischwasser, das in der Region um Beaufort-West besonders rar ist. Das kontaminierte Abwasser kann nicht effizient entsorgt werden, sondern wird aus Setzteichen verdunsten.
Mittlerweile ist das Projekt weit fortgeschritten, obwohl sich die Fa. Peninsula Energy mehr auf ihr US-amerikanisches Projekt Lance in Wyoming konzentriert hat. In diesem Projekt kommt der gefährliche Lösungsbergbau (in-situ leaching) zur Anwendung, bei dem das Uranerz im Boden mit starken Säuren ausgewaschen wird. Ob diese Methode auch in der Karoo angewandt werden soll, ist nicht bekannt.
Die Grundlagen für eine Pre-Feasibility-Study (PFS) werden in der Karoo gerade erarbeitet. Dafür wurden die alten Bohrlöcher in den Konzessionen erneut untersucht, um die Uranmengen genauer bestimmen zu können. Dabei sind angeblich gute Fortschritte gemacht worden. Ingenieurstudien für die zentrale Aufbereitungsanlage (Central Processing Plant) bei Ryst Kuil sind erstellt. Im Genehmigungsverfahren hat die Firma die südafrikanische Consulting Ferret Mining mit der Umweltverträglichkeitsprüfung beauftragt. Die sog. Scoping-Prozesse, in denen die Parameter für die Umweltverträglichkeitsprüfung festgelegt werden, sind abgeschlossen und liegen den drei Provinzregierungen vor. Im nächsten Schritt muss der Bergbaukonzern nun detaillierte Planungen für den Abbau vorlegen und die interessierte Öffentlichkeit darüber informieren sowie öffentliche Stellungnahmen dazu einholen. Dieser Prozess der Bürgerbeteiligung eröffnet der Bevölkerung zahlreiche Informations- und Einspruchsmöglichkeiten. Allerdings ist der Informationsstand der betroffenen Bevölkerung noch sehr gering. An früheren Informationsveranstaltungen der Firma nahmen jeweils nur eine Handvoll Anwohner teil.
Aufklärung vonnöten
Zunächst ist es deshalb notwendig, eine weitreichende Aufklärungskampagne zu starten. Dafür stellt das Southern African Faith Communities‘ Environment Institute (Safcei) den Verfasser dieses Artikels für das Jahr 2016 ab. In lokalen Bildungsprogrammen gilt es, insbesondere die Landarbeiter und die auf dem Land lebenden Menschen zu informieren und politische Strategien zu formulieren. Insbesondere muss es darum gehen, die Strukturen aus dem erfolgreichen Widerstand gegen das Fracking auf den Uranbergbau auszudehnen. Außerdem gilt es, Verbindung zu dem breit gefächerten Widerstand gegen das Atomreaktorprogramm der südafrikanischen Regierung herzustellen. Letztlich muss auch der internationale Anti-Atom-Widerstand stärker den Uranbergbau und seine unsäglichen Folgen für die Bergleute und die Umgebung zur Kenntnis nehmen. Gerade in Deutschland, wo die weltweite größte Untersuchung an 60.000 ehemaligen Mitarbeitern der Wismut AG in Sachsen und Thüringen das erschreckende Ausmaß vor allen an Lungenkrebs aufzeigt.
*Stefan Cramer ist promovierter Geologe und arbeitet zurzeit als wissenschaftlicher Berater am Southern African Faith Communities‘ Environment Institute (Safcei) in Südafrika.
Quelle: afrika süd 1/2016, 12-14
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Studien zum Uranbergbau:
- Bundesamt für Strahlenschutz: Wismut Uranbergarbeiter-Kohortenstudie:
http://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/projekte/wismut/wismut_node.html - Robert J. Roscoe, James A. Deddens, Alberto Salvan, and Teresa M. Schnorr, 1995: Mortality among Navajo Uranium Miners – American Journal of Public Health, 1995: 535-541:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1615135/pdf/amjph00442-0073.pdf - M. Eidemüller, P. Jacob, R. Lane (CNSC), S.E. Frost and L. Zablotska, 2012: Lung cancer mortality (1950–1999) among Eldorado uranium workers: A comparison of the TSCE and ERR models – DOI: 10.1371/journal.pone.0041431: http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0041431
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