Mietendeckel und Vier-Tage-Woche: Die Linke stellt ihr Wahlprogramm vor
Von: Quirin Hacker
Die Linkspartei stellt in ihrem Wahlprogramm vor, wie sie das Leben „bezahlbar“ machen will. Einen Schwerpunkt legt sie auf das Thema Wohnen.
BERLIN 09. Dezember 2024: Mehr soziale Gerechtigkeit für Deutschland, so lässt sich das Wahlprogramm der Linken für die Bundestagswahl am 23. Februar zusammenfassen. Die Parteivorstände Ines Schwerdtner und Jan van Aken stellten das Programm am Montagvormittag in Berlin vor. „Die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich ist eines der größten Probleme unserer Zeit“, heißt es in der Vorrede. Dagegen angehen will die Linke unter anderem mit Steuersenkungen für Geringverdienende, Klimageld und gedeckelten Mieten.
Ines Schwerdtner und Jan van Aken stellen das Wahlprogramm vor, Titel: „Alle wollen regieren, wir wollen verändern.“ KAY NIETFELD/dpa
Besonders Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen würden die Inflation spüren, heißt es im Programm. Diese wolle die Partei finanziell entlasten. Dafür soll die Mehrwertsteuer auf einige Alltagsprodukte entfallen – gemeint sind Grundnahrungsmittel, Tickets für Bus und Bahn sowie Hygieneartikel. Zudem schlägt die Linke eine Preisbehörde vor, die dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt sein soll.
Energieversorger müssten sich künftig rechtfertigen, wenn sie die Preise für Strom oder Gas erhöhten. Ein Klimageld von 320 Euro jährlich soll erhöhte Ausgaben durch die CO2-Bepreisung ausgleichen. Für „mehr Erholung und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ setzt sich die Partei für eine Arbeitswoche von vier Tagen ein.
Pläne der Linken zur Bundestagswahl: Mieten für sechs Jahre einfrieren
Ein weiterer Schwerpunkt des Wahlprogramms liegt auf dem Thema Wohnen. Die Linke fordert einen bundesweiten Mietendeckel. An Orten mit angespanntem Mietmarkt dürften Mieten in den kommenden sechs Jahren nicht steigen, so der Vorschlag. Außerdem soll der Kündigungsschutz ausgeweitet werden. Die Modernisierungsumlage will die Linke abschaffen und überzogene Heizkostenrechnungen mit einer Strafe belegen. Zwischennutzungen sollen Leerstand verhindern, 20 Milliarden Euro in den Bau von Sozialwohnungen fließen.
Die Linken sprechen sich für eine Kindergrundsicherung und eine „solidarische Erwerbstätigenversicherung“ aus. In Letztere sollen alle Erwerbstätigen einzahlen, auch Selbstständige sowie Beamtinnen und Beamte. Zusatzrenten wie Riester sollen eingegliedert werden. So könnten die Renten steigen und gleichzeitig das reguläre Eintrittsalter auf 65 Jahre sinken, verspricht das Programm. Die Gesamtleistungen des Bürgergelds will die Linke auf 1400 Euro im Monat anheben.
Die Linke will Vermögensteuer wieder einführen: Milliardäre löhnen extra
Das dafür nötige Geld sollen Steuererhöhungen für Reiche einbringen. Die Vermögensteuer will die Partei wieder einführen; sie soll bei Privatvermögen ab einer Million Euro greifen. Für Milliardäre soll ein Sondersteuersatz von zwölf Prozent gelten.
Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fordert die Linke statt weiterer Waffenlieferungen mehr Bemühungen, Russland an den Verhandlungstisch zu bringen. Der Export von Waffen aus Deutschland soll verboten werden, die Rüstungsindustrie in Zukunft zivile Produkte herstellen. „Eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur für Europa soll die NATO mittelfristig ersetzen“, heißt es in dem Papier recht unkonkret.
Umfragen sahen die Linke zuletzt zwischen drei und vier Prozent. Die Partei hofft darauf, durch die Grundmandatsklausel wieder in den Bundestag einzuziehen. Dafür muss sie drei Direktmandate gewinnen.
pdf: Die Linke _ Mietendeckel und Vier-Tage-Woche
Quelle: Frankfurter Rundschau, 10.12.2024, Seite 6.
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11. Dezember 2024 Kategorie/n: Newsletter 2566 mal angesehen
Thuso Khumalo*:
„Vernunftehe oder Wunsch des Volkes?“
Südafrikas `Regierung der nationalen Einheit (GNU)“ 2024
Nach einmonatigen Verhandlungen ist die südafrikanische `Regierung der nationalen Einheit´ am 3. Juli 2024 vollzählig angetreten und arbeitet seitdem hart. Cyril Ramaphosa wurde erneut zum Präsidenten der Republik Südafrika gewählt.
JOHANNESBURG, 2024: Die von 11 politischen Parteien gebildete Regierung der nationalen Einheit (Government of National Unity, GNU) wird von diesen als Lösung für die dreifachen Herausforderungen Südafrikas – Armut, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit – angesehen. Ihre Gegner sehen sie jedoch als Verrat am Kampf des Volkes gegen den Kolonialismus, weil ihr Parteien angehören, deren Gründung mit dem Apartheidregime in Verbindung steht. Der Unterschied zwischen Befürworter:innen und Gegner:innen der GNU ist so groß, dass die einen sagen, die Ikone des Weltkampfes, Nelson Mandela, lächle, wenn er die Einheit der Südafrikaner:innen in der GNU sehe, während die Gegenseite meint, er drehe sich im Grab um, wenn er sehe, wie sehr der Kampf gegen die Apartheid verraten worden sei.
Alle Minister:innen sind am 3. Juli vereidigt worden und üben nun ihr Regierungsmandat aus. Die Parlamentsabgeordneten haben derweil eine intensive Diskussion über die politische Ausrichtung des Landes für die nächsten fünf Jahre begonnen. Dies ist ein Meilenstein, wenn man bedenkt, dass die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit (GNU) für Südafrika von vielen für unmöglich gehalten wurde.
Die GNU-Befürworter
Die GNU, der sich am Ende 11 politische Parteien angeschlossen haben, wurde gebildet, nachdem der Afrikanische Nationalkongress (ANC) des ersten Präsidenten Südafrikas und Befreiungskämpfers Nelson Mandela bei den Wahlen vom 29. Mai nur 40,18 Prozent der Stimmen erhalten hatte und damit nicht in der Lage war, allein eine Regierung zu bilden. Die Hauptakteure der GNU, der ANC und die Demokratische Allianz (DA), die 21,81 Prozent der Stimmen erhielt, haben die GNU begrüßt.
In seiner Parlamentseröffnungsrede bezeichnete Präsident Cyril Ramaphosa die GNU als eine Regierung, die den Willen der Wähler:innen widerspiegele, die keiner Partei eine eindeutige Mehrheit gegeben haben. Er rief die gesamte Nation dazu auf, sich wie (in Afrika südlich der Sahara häufig vorkommende; d. Red.) Webervögel, die in Scharen vereint stets komplizierte Strukturen aufbauen, hinter die Regierung zu stellen. Auch John Steenhuisen, Parteivorsitzender der DA, hat keine Gelegenheit ausgelassen, die GNU zu loben. Bei der Aussprache im Parlament nach der Eröffnungsrede von Ramaphosa sagte er, die GNU sei eine Chance für Südafrika, sich von der Spaltung und dem wirtschaftlichen Niedergang zu befreien.
Kleinere Parteien, die Teil des Teams sind, sehen die GNU ebenso im positiven Licht. Sportminister Gayton McKenzie, Vorsitzender der Patriotic Alliance (PA), bezeichnet sie als das Beste, was Südafrika je passiert sei. Mit insgesamt beeindruckenden 70 Prozent der Stimmen haben die GNU-Partner eine unerschütterliche Position. Doch diejenigen, die die 30 Prozent der Stimmen außerhalb der GNU halten, kämpfen mit allen Mitteln dagegen an.
GNU-Gegner reden von Ausverkauf
Die viertgrößte Partei des Landes, die Economic Freedom Fighters (EFF), steht an der Spitze derjenigen, die dem ANC vorwerfen, die Freiheit der Schwarzen zu verraten, indem er eine Koalition mit der DA eingeht. Die DA hat ihre Wurzeln in der Nationalen Partei, die für das Apartheidsystem verantwortlich war, das von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurde. In den Augen des EFF-Vorsitzenden Julius Malema ist die DA eine weiße Partei, die immer noch die weiße Vorherrschaft aufrechterhalte. Seiner Meinung nach hätte der ANC niemals mit ihr koalieren dürfen. In seiner Rede anlässlich der Feierlichkeiten zum 11. Jahrestag der Partei in Kimberly in der Nordwestprovinz bezeichnete Malema die GNU als Feind des Volkes und forderte die Massen auf, sie abzulehnen. Er wiederholte dort die Position seiner Partei, nach der der ANC Ausverkauf betreibe. Warum, fragte er, habe der ANC sich für die DA entschieden, anstatt die GNU mit den, wie er es nannte, progressiven schwarzen Parteien zu bilden. Malema forderte seine Anhänger auf, sich der GNU so lange zu widersetzen, bis sie zusammenbricht, um Platz für die Bildung einer Regierung aus progressiven Parteien zu schaffen.
Der ehemalige Präsident Jacob Zuma, dessen neue Partei uMkhonto weSizwe (MK) weitgehend für das schlechte Abschneiden des ANC bei den Wahlen verantwortlich war, wütet ebenfalls gegen die GNU. Die MK, die fünf Monate nach ihrer Gründung zu den Wahlen antrat, erhielt landesweit 14,58 Prozent der Stimmen und wurde drittstärkste Partei. Die Mehrheit ihrer Anhänger:innen hat sich vom ANC losgesagt, als Zuma das Schiff verließ und dem ANC vorwarf, die Massen im Stich zu lassen.
Die MK beschuldigt den ANC, die Wahlen mit Hilfe der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) manipuliert zu haben, obwohl sie ihre rechtliche Anfechtung der Wahlergebnisse aufgegeben hat, ohne Beweise für die angebliche Wahlmanipulation zu liefern. „Die MK lehnt die GNU kategorisch ab“, erklärte der MK-Chef. Auf einer Pressekonferenz in Johannesburg, auf der er ankündigte, dass seine MK-Abgeordneten sich der EFF und anderen progressiven Kräften im Parlament anschließen werden, bezeichnete Zuma die GNU als Schwachsinn und eine von den Weißen geführte unheilige Allianz zwischen der DA und dem ANC. Zuma sagte, der ANC habe durch das Eingehen einer Koalition mit der DA alle Errungenschaften der Unabhängigkeit verraten. Tatsächlich gibt es nach Meinung der MK keine Regierung der nationalen Einheit, sondern eine Ausverkaufskoalition zwischen der DA und dem ANC, die hauptsächlich dem Großkapital und den Märkten zugute komme, nicht aber dem südafrikanischen Volk.
Die Regierung der Nationalen Einheit
Südafrikas Regierung der Nationalen Einheit besteht aus 11 der 18 im Parlament vertretenen Parteien: Der ANC (African National Congress (159 Sitze), die Democratic Alliance (DA, 87 Sitze), die Inkatha Freedom Party (IFP, 17 Sitze), die Patriotic Alliance (PA, 9 Sitze) und die Partei GOOD (1 Sitz) hatten bis zum 17. Juni ihre Teilnahme zugesagt. In den folgenden Tagen schlossen sich der Pan Africanist Congress of Azania (PAC, 1 Sitz), die Vryheidsfront Plus (VF+, 6 Sitze), die United Democratic Movement (UDM, 3 Sitze), Rise Mzansi (2 Sitze), Al Jama-ah (2 Sitze) und am Ende auch die United Africans Transformation (UAT, 1 Sitz) an.
Mit 32 Minister:innen hat Südafrika eines der größten Kabinette weltweit. Die Ministerien sind unter 6 der GNU-Parteien aufgeteilt. Der ANC hat alleine 20 Ministerien für sich beansprucht und hält wichtige Schlüsselministerien wie Verteidigung, Außenpolitik, Arbeit, Finanzen, Gesundheit, Hochschulbildung, Energie, Handel und Industrie, Transport oder Ressourcen. Als Polizeiminister hat Senzo Mchunu den umstrittenen Bheki Cele abgelöst, der in kein anderes Ministerium versetzt wurde.
Neben Präsident Cyril Ramaphosa ist auch sein Vize vom ANC. Den Posten, auf den der DA-Fraktionsvorsitzende John Steenhuisen ursprünglich spekulierte, bekam Paul Mashatile. Steenhuisen erhielt dafür das Landwirtschaftsministerium, wegen des für Südafrika wichtigen Agrarsektors auch ein Schlüsselressort. Von den anfänglich geforderten 11 Ministerien erhielt die DA am Ende nur 6, neben Landwirtschaft das Innenministerium, Grundbildung, Kommunikation und IT, Umwelt sowie öffentliche Arbeiten und Infrastruktur.
Wegen der Bedeutung der Landfrage wurde der Bereich „Landreform und ländliche Entwicklung“ als eigenständiges Ministerium aus dem Landwirtschaftsministerium ausgegliedert. Den Posten bekam Mzwanele Nyhontso vom PAC. Als früherer Rivale des ANC im Kampf gegen Apartheid fordert der PAC, das Land zu „dekolonisieren und an seine ursprünglichen Eigentümer zurückzugeben“. Auf das Kompetenzgerangel mit der DA darf man gespannt sein.
Zwei Ministerien gingen an die IFP (Regierungszusammenarbeit und Traditionelle Angelegenheit sowie Öffentlicher Dienst und Verwaltung), je eines an die FF+ (Strafvollzug), GOOD (Tourismus) und die PA (Sport, Kunst und Kultur).
Um alle Bedürfnisse der unterschiedlichen Parteien zu berücksichtigen, ist die Anzahl der Stellvertreterposten noch aufgeblähter: 5 Parteien teilen sich die 43 Vizeministerien. Darunter Ganief Hendricks von Al Jama-ah, der stellvertretender Minister für soziale Entwicklung ist, oder Bantu Holomisa (UDM) als einer von zwei Stellvertretern für Verteidigung und Veteranen.
Der Frauenanteil im Kabinett liegt mit 14 Ministerinnen bei 44 Prozent, bei den Stellvertreter:innen sind es mit 17 Frauen knapp 40 Prozent.
Auch Vorbehalte von ANC-Bündnispartnern
Überraschenderweise akzeptieren sogar die eigenen Bündnispartner des ANC die GNU in ihrer derzeitigen Zusammensetzung nicht. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1994 hat der ANC gemeinsam mit der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP) und dem Kongress der Südafrikanischen Gewerkschaften (Cosatu) abgestimmt und regiert. Beide haben die GNU abgelehnt, obwohl sie mit ihren Mitgliedern im Parlament und im Kabinett weiterhin an ihr beteiligt sind. Auf einer Pressekonferenz nach der Bekanntgabe des GNU-Kabinetts erklärte die Gewerkschaft, dass sie die Entscheidung des ANC zwar respektiere, aber die Wirtschaftspolitik der DA weiterhin ablehne, da diese einen Rückschritt bei den Arbeitnehmerrechten und eine Umkehrung der Transformation bedeute.
Die SACP hat ebenfalls keinen Hehl aus ihrer Opposition gegen die GNU unter Beteiligung der DA gemacht. SACP-Generalsekretär Solly Mapaila kritisierte den ANC scharf für die Aufnahme der DA in die GNU. Bei der kürzlich in der Metropole Ekurhuleni abgehaltenen nationalen politischen Schule der Gewerkschaft National Education, Health and Allied Workers‘ Union, die in Anwesenheit von ANC-Generalsekretär Fikile Mbalula stattfand, sagte Mapaila, seine Partei wolle die GNU wegen der Anwesenheit der DA nicht. Diese sei Teil der neoliberalen Kräfte. Er machte deutlich, dass es die SACP lieber gesehen hätte, wenn der ANC eine GNU mit der EFF, MK und anderen schwarzen Parteien eingegangen wäre, egal wie problematisch das gewesen wäre.
Südafrikas Bevölkerung ist in dieser Frage ebenso gespalten wie die politischen Parteien. Ein großer Teil glaubt, dass die DA nur den Interessen der Weißen dient und die Armut der Schwarzen noch weiter vergrößert. Andere wiederum sind begeistert von der Einbeziehung der DA in die GNU, da die Partei ihre Fähigkeiten in der öffentlichen Verwaltung einbringen und gleichzeitig der Korruptionskultur Einhalt gebieten werde, die im Laufe der Jahre fast alle staatlichen Unternehmen in den Ruin getrieben hat. Die DA, die traditionell die Westkap-Provinz gewonnen hat, führt dort eine Provinzregierung an, deren Effizienz und Nulltoleranz gegenüber Korruption landesweit Nachahmer gefunden hat. Kritiker:innen der DA verweisen jedoch beharrlich darauf, dass die von Schwarzen und „Coloureds“ dominierten Gebiete in der Provinz weiterhin abgehängt werden. Diese Darstellung hat die Position derjenigen gestärkt, die die DA als rassistisch und gegen Schwarze gerichtet betrachten.
Rassismus ist noch ein Thema
Die Zeit nach den Wahlen hat deutlich gezeigt, dass Rassismus 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid immer noch ein großes Thema ist, das das Land spaltet. Denn die Gegner der GNU haben ausdrücklich und offen erklärt, dass sie die DA und die Freedom Front Plus (FF Plus) nicht wollen, da beide als von Weißen dominiert gelten und ihren Ursprung in den Reihen derer haben, die die Apartheid aufgebaut und umgesetzt haben. Für diese Gruppe hat sich die DA nicht genug verändert, um als von der Nationalen Partei, dem Architekten der Apartheid, getrennt und verschieden angesehen zu werden.
Einige derzeitige Mitglieder der DA haben sich auch nicht so verhalten, als dass die Partei das Stigma der Apartheid abschütteln könnte. Der DA-Abgeordnete Renaldo Gouws musste wegen rassistischer und homophober Videos, die er vor 15 Jahren aufgenommen hatte und die kürzlich wieder aufgetaucht sind, suspendiert werden. In den Videos ruft er zur Tötung von Schwarzen auf, indem er sie mit abwertenden Begriffen belegt, die die Kolonialisten während der Apartheid verwendet hatten. Die DA wies die Rassismusvorwürfe mit der Begründung zurück, die Suspendierung von Gouws sei bereits ein klares Zeichen dafür, dass die Partei keinerlei Form von Rassismus dulde.
Mncedisi Siswana, ein ehemaliger Gefangener auf Robben Island, der zusammen mit Nelson Mandela in dem Isolationsgefängnis inhaftiert war, weil er sich der Apartheid widersetzte, ist jedoch fest davon überzeugt, dass der Rassismus immer noch lebendig ist. Siswana erinnert daran, dass 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid immer noch diejenigen, die von ihr profitiert haben, und ihre Nachkommen bis zu 80 Prozent der Wirtschaft kontrollieren, während die Mehrheit der Schwarzen weiterhin in Armut lebt. Andere werfen die Frage der Ungleichheit jedoch auf den ANC zurück. Sie sind der Meinung, die Partei habe 30 Jahre Zeit gehabt, die wirtschaftliche Ungleichheit der Vergangenheit zu beseitigen, habe dabei aber versagt. Viele machen die Korruption dafür verantwortlich und sagen, der ANC habe auf Kosten der Massen schwarze Eliten hervorgebracht.
Wir die GNU fünf Jahre überdauern?
Die 2018 eingesetzte Kommission, die untersuchen sollte, wie Unternehmen, Politiker:innen und Staatsbedienstete zusammengearbeitet haben, um den Entscheidungsprozess des Landes zu ihrem persönlichen Vorteil zu beeinflussen, stellte fest, dass es in jeder Phase der öffentlichen Beschaffung systematische Missbrauchsmuster gab. Laut einer 2021 veröffentlichten Studie der Organisation Unite 4 Mzansi hat Südafrika allein zwischen 2014 und 2019 fast 76 Mrd. Euro durch Korruption innerhalb der staatlichen Institutionen verloren. ANC-Minister:innen und einige hochrangige Parteifunktionäre standen im Zentrum dieser korrupten Aktivitäten, die eine große Zahl staatlicher Unternehmen fast zum Zusammenbruch gebracht haben. Der ANC hat dieses Problem in einem Maße zugegeben, dass Präsident Ramaphosa die Partei als Beschuldigte Nummer 1 in Sachen Korruption bezeichnet hat.
All die Komplikationen, die Dynamik, die Ressentiments, die Euphorie und der Hass im Zusammenhang mit der südafrikanischen GNU haben Zweifel an der Frage aufkommen lassen, ob die GNU die gesamten fünf Jahre der Legislaturperiode überstehen wird. Es gibt Stimmen, die sagen, die politischen Differenzen zwischen ANC und DA würden die GNU innerhalb der nächsten zwei Jahre zusammenbrechen lassen. Die beiden führenden Parteien in der GNU haben erhebliche Differenzen bei Fragen von nationaler Krankenversicherung, der breit angelegten Black Economic Empowerment, der Bildung, der Privatisierung staatlicher Unternehmen und der Außenpolitik.
Die Parteien, die außerhalb der GNU geblieben sind und einen Progressive Caucus mit insgesamt 102 der 400 Parlamentssitze gebildet haben, sagen einen baldigen Zusammenbruch der GNU voraus. Der EFF-Führer Julius Malema gab ihr allenfalls ein Jahr Amtszeit. Diese Ansicht wird auch von anderen führenden Vertreter:innen des Progressive Caucus geteilt.
Unterdessen sehen manche Expert:innen die GNU als Südafrikas größte Chance auf Erfolg. William Gumede ist außerordentlicher Professor an der School of Governance an der Universität von Witwatersrand in Johannesburg. Bei einem Treffen kleiner und mittlerer Unternehmen im Country Club in Bryanston, Johannesburg, sagte Gumede, die Koalition sei eine Chance, die Effizienz zu steigern und die Rechenschaftspflicht der Regierung zu erhöhen.
Laut Gumede wird das Überleben der GNU jedoch von ihrer Fähigkeit abhängen, die dreifachen Herausforderungen Südafrikas – Armut, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit – zu lösen. Die Arbeitslosigkeit liegt derzeit bei 32,9 Prozent, wobei die Jugend den größten Anteil an den Arbeitslosen stellt. Auch die Armut ist mit über 16 Millionen Menschen, die von Sozialhilfe leben, immer noch ein großes Problem.
Doch wenn man den Versprechungen von Präsident Cyril Ramaphosa in seiner jüngsten Rede zur Parlamentseröffnung Glauben schenken darf, sind die GNU-Parteien entschlossen, die fünf Jahre zu überstehen. Er hat ein integratives Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen, den Ausbau von Berufsbildungseinrichtungen, Verbesserungen im Gesundheitssektor, die Senkung der Lebenshaltungskosten, ein Ende von Korruption und Kriminalität sowie eine effiziente Erbringung von Dienstleistungen in allen Regierungsbereichen versprochen.
Vor allem hat er geschworen, die GNU zum Funktionieren zu bringen. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Regierung der nationalen Einheit funktioniert und erfolgreich ist“, sagte Ramaphosa den Abgeordneten. Er wiederholte auch die Botschaft, die er von seinen GNU-Partnern erhalten hatte: „Herr Präsident, wir wollen, dass diese GNU funktioniert, und wir werden dafür sorgen, dass sie funktioniert.“
*Thuso Khumalo, freiberuflicher Journalist in Johannesburg, berichtet über das gesamte südliche Afrika u. a. für die Deutsche Welle, The Voice of America News und das ARD German Radio. [Aus dem Englischen übersetzt]
Quelle: afrika süd 4/2024, Seite 8-11; [Hervorhebungen: Ben Khumalo-Seegelken]
>> pdf: Thuso Khumalo: „Vernunftehe oder Wunsch des Volkes?“
13. September 2024 Kategorie/n: Allgemein, Frieden, Gerechtigkeit, Menschenrechte, Politik, Südafrika aktuell 8601 mal angesehen