– Christliches Handeln vor und nach der Unabhängigkeit –
Die Rolle der Kirchen und des Christentums in der Geschichte Südwestafrikas und der Gegenwart Namibias ist vielseitig und wechselhaft. Eine allgemeine Bewertung wird den Unterschieden und jeweiligen geschichtlichen und gesellschaftlichen Etappen und Zusammenhängen nicht gerecht. Deshalb kann auch im nachstehenden Beitrag nur ein Überblick erfolgen, der viele Nuancierungen (insbesondere auch hinsichtlich der unterschiedlichen christlichen Glaubensgemeinschaften) außer Acht lassen muss. Henning Melber* zeichnet die Entwicklungen nach, erläutert und kommentiert:
Eines kann als gesicherter Hintergrund seit Beginn des 20. Jahrhunderts gelten: Namibia ist ein Land, dessen Menschen durch die Kolonisierung umfassend und dauerhaft christianisiert wurden, in dem deshalb die Rolle der Kirchen untrennbar mit den Entwicklungen in Gesellschaft, Staat und Politik verbunden ist.[1] Nicht zuletzt zeigt sich dies darin, dass ein Gebet sowohl zu Zeiten einer kolonialen Minderheitsherrschaft wie auch unter einer Regierung des unabhängigen Landes zum Grundbestandteil der offiziellen politischen Kultur gehört. Wenn es eine Kontinuität in der Geschichte des Landes seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt, dann die der Bedeutung des christlichen Glaubens – auch wenn die christliche Botschaft oft sehr unterschiedlich ausgelegt und verstanden wurde. Aber selbst die grundsätzlichsten Gegner beriefen sich noch auf die Bibel und das Glaubensbekenntnis zur Rechtfertigung ihrer Positionen.
Von der Mission…
Mit der Rheinischen Missionsgesellschaft begannen die „Sendboten der Zivilisation“ Mitte des 19. Jahrhunderts in den zentralen und südlichen Landesteilen ihre Bemühungen, die lokale Bevölkerung zum christlichen Glauben zu bekehren.[2] Die Missionsarbeit wurde ab 1870 durch die Finnische Mission im Ovamboland ergänzt. Als Ergebnis insbesondere des Wirkens dieser beiden Missionsgesellschaften fanden sich die Menschen mehrheitlich in evangelisch-lutherischen Glaubensgemeinschaften zusammen, wobei die Katholische Mission und die Anglikanische Kirche die Bevölkerung ebenfalls (wenn auch zahlenmäßig weniger umfangreich) seelsorgerisch unter ihre Fittiche nahm. Namibia gilt als das am gründlichsten christianisierte Land Afrikas.
Dabei gingen Kirche und Politik von Beginn an ein enges, obgleich keinesfalls immer konfliktfreies Verhältnis ein. Auch waren insbesondere Missionare der Rheinischen Mission häufig in sehr weltlicher Funktion aktiv. Die Lebensgeschichte Heinrich Vedders (1876-1972), der nach seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Missionar (ab 1903) zu Mitte der 1950er Jahre die Siedler Südwestafrikas im Senat Südafrikas repräsentierte, ist beredtes Zeugnis und personifiziertes Sinnbild der Tragweite des missionarischen Einflusses.[3]
Von den zahlreichen Primärquellen, die von der einflussreichen Rolle der Mission zeugen, sind die erst unlängst veröffentlichten Aufzeichnungen des damaligen Missionsdirektors Johannes Spiecker (1856-1920) besonders erwähnenswert. Mehrfach führten ihn Inspektionsreisen nach Deutsch-Südwestafrika. Seine ausführlichen Eintragungen lassen die Ambivalenzen von Religion, Macht und Moral während des Vernichtungskriegs gegen die Herero und Nama deutlich zutage treten.[4] So verwundert es auch nicht, dass die Bewertungen der christlichen Mission(en) aus heutiger Perspektive durchaus unterschiedlich ausfallen.[5] Auch der Umstand, dass es ab den 1940er Jahren und danach neue afrikanische Kirchen gab, dokumentierte die Zwiespältigkeit der christlichen Botschaft, die häufig als koloniale Begleiterscheinung wahrgenommen wurde, so dass sich afrikanische Christen ihre eigenen Kirchen schufen.[6]
Dies ändert hingegen nichts an der affirmativen Haltung zum Christentum und dessen Langzeitwirkung. Aufschlussreich war hinsichtlich der historischen Bedeutung der Missionierung eine Antwort von Nahas Angula, dem langjährigen Erziehungs- und späteren Premier- und Verteidigungsminister bei seiner Befragung als Kandidat um die Nachfolge Sam Nujomas als Präsident des Landes durch die Zeitung „The Namibian“. Ihm wurde zum Schluss eine eigene zusätzliche Erklärung eingeräumt. Diese nutzte er, um die Gerüchte entschieden zurück zu weisen, er sei zum Islam übergetreten. Während er betonte, dass er alle Religionen respektiere, würde er der Lutherischen Kirche treu bleiben, in der er getauft wurde. Wie er weiter ausführte, war es sein Ur-Ur-Großvater, König Shikongo shaKalulu, der die ersten Missionare empfing. Dies sei eine historische Bindung, die auch darauf beruhe, dass die Aufnahme der Missionare mit Aufklärung und Erziehung zu tun hatte und er die Überzeugung hinsichtlich dieser Werte übernommen habe.[7]
Im Gebiet des heutigen Namibia verdrängte das Christentum mehr als anderswo auf dem Kontinent alle (Natur-)Religionen. Auch im Ovamboland dominierte ab Mitte des 20. Jahrhunderts endgültig die christliche Identität.[8] Ältere Menschen meinten sogar, das Christentum habe im vergangenen Jahrhundert das Leben mehr verändert als der Kolonialismus.[9] Uukristi (Christentum) wurde auch zum Ausgangspunkt einer jüngeren Generation, die sich nicht mehr einfach unwidersprochen den Ältesten unterordnete. Der christliche Glaube in die Freiheit und Gleichheit menschlicher Würde trug auch zur Formierung einer neuen Identität bei, die maßgeblichen Anteil an der Organisierung des antikolonialen Widerstands ab der 1950er Jahre zuerst in den Reihen der Kontraktarbeiter und danach in der SWAPO hatte. – Dass Nahas Angula nicht Präsidentschaftskandidat der SWAPO wurde, sondern Hifikepunye Pohamba seinerzeit das Rennen machte, hatte jedenfalls nichts mit seinem Glaubensbekenntnis zu tun. Präsident Pohamba suchte damals schon in einer seiner ersten symbolträchtigen Amtshandlungen das Gespräch mit den Vertretern der Kirchen und ließ ebenfalls keinen Zweifel daran, dass er selbst praktizierender Christ ist.
über die Emanzipation …
In vielen persönlichen Erinnerungen der ersten Generation von SWAPO-Aktivisten tauchen so auch Hinweise auf die Rolle der gemeinsamen Erziehung in Kirchenschulen im Lande auf. Erst unlängst wies der langjährige Außenminister, Premierminister und Parlamentspräsident Theo Ben Gurirab auf die Bedeutung des Augustineums und von Döbra als Bildungseinrichtungen der lutherischen und katholischen Kirchen sowie auf die Katalysatorrolle der Kirchen hin, indem sie eine Verbindung zwischen den Jugendlichen im Norden und im Landeszentrum schufen. Die Kirche zählte für ihn zu einem Bündnispartner bei der Suche nach Identität, politischen Standpunkten und Zusammengehörigkeit.[10]
Die St. Mary’s Oberschule in Odibo, die Martin-Luther-Oberschule in Okombahe, die St. Theresa Oberschule in Tses und die theologische Ausbildungsstätte Paulinum in Otjimbingwe spielten ebenso wie die St. Barnabas Schule in Windhoek oder auch die Schule Mariabronn bei Grootfontein eine wesentliche Rolle in der Sozialisation späterer Generationen von Namibierinnen und Namibiern, die noch heute in maßgeblichen öffentlichen und politischen Ämtern wirken.[11] Eine ausdrückliche Bestätigung dieser Wertschätzung formulierte Präsident Hage Geingob in seiner Begrüßungsrede, als er am 13. Mai 2016 führende Vertreter der Kirchen zu einem Gespräch im Staatshaus empfing. Er betonte die enge und wohlmeinende Verbindung der Regierung zu den Kirchen, die sich im Kern seit den Zeiten des Befreiungskampfes auf die Gemeinsamkeit im Respekt für Menschenwürde und den Kampf für ein Ende menschlichen Leidens stütze.[12]
Vertreter der anglikanischen Kirche spielten lange Zeit eine Vorreiterrolle in der Kritik der Apartheid. Davon zeugte bereits der kurze Aufenthalt von Reverend Michael Scott (1907-1983) am Rande der damaligen „Alten Werft“ in den späten 1940er Jahren und seine Rolle bei den ersten Petitionen der Herero an die Vereinten Nationen ab Dezember 1948. Der anglikanische Bischof Robert Herbert (Bob) Mize (1907-2000) wurde 1968 ausgewiesen. Selbiges widerfuhr auch den nachfolgenden Bischöfen Colin O’Brien Winter (1928-1981)[13] und Richard Wood (1920-2008) sowie einigen ihrer Mitarbeitenden in den Jahren 1972 bzw. 1975. Der anglikanische Generalvikar Ed Morrow und dessen Frau erfuhren gemeinsam mit dem katholischen Pater Heinz Hunke 1978 dasselbe Schicksal.[14]
Weitaus gravierender und folgenreicher als das persönliche Engagement dieser Kirchenvertreter war jedoch der am 30. Juni 1971 veröffentlichte Offene Brief von Bischof Leonard Auala von der Evangelisch-Lutherischen Owambo-Kavango Kirche (ELOK) und Moderator Paulus Gowaseb von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Südwestafrika (VELKSWA). Dieser Akt des öffentlichen Einspruchs einheimischer Kirchenvertreter kam für viele einer Kulturrevolution gleich und beeinflusste nachhaltig das weitere kirchliche Leben im Lande.[15] Der Widerstand gegen die Apartheid wurde zum Thema und Teil christlicher Positionierung. Anfang der 1970er Jahre entfaltete sich so auch in den deutschen evangelisch-lutherischen Gemeinden im Lande ein massiver Konflikt zwischen entsandten Pfarrern aus der Bundesrepublik und deren Gemeindemitgliedern, die sich mehrheitlich weiterhin vehement der Öffnung gegenüber den schwarzen lutherischen Kirchen im Lande widersetzten. Der unüberbrückbare Konflikt mit den Seelsorgern führte zur Ausweisung bzw. Rückberufung nahezu aller von der Evangelischen Kirche in Deutschland entsandten Pfarrer.
So vollzog sich ab den 1970er Jahren ein grundsätzlicher Wandel im Selbstverständnis und der Rolle der Kirchen im Lande von einer missionierenden hin zu einer prophetischen Funktion, bei der auf Gleichheitspostulate basierende emanzipatorische Inhalte in den Vordergrund traten.[16] Mit der Gründung des Council of Churches in Namibia (CCN) wurde 1978 eine Dachorganisation für derzeit insgesamt 18 Mitgliedskirchen geschaffen, die eine nicht nur kirchenpolitisch orientierte Funktion übernahm – auch wenn einige der Mitgliedskirchen das gesellschaftliche Engagement nicht immer teilten und sich (wie die deutsche lutherische Kirche im Lande) zeitweilig wieder daraus zurückzogen.
Die neuen Akzente dokumentierte auch ein vom CCN veröffentlichter Sammelband, der zahlreiche kritische Analysen zur Gesellschaft Namibias im Sinne einer zukunftsweisenden Bestandsaufnahme vereinte.[17] So wurden einige der namibischen Kirchen zum aktiven Bestandteil einer Kultur des Widerstands gegen das auf Rassendiskriminierung [Apartheid] basierende Unrechtsystem. Hierzu gehörte auch die seelsorgerische Rolle unter den im Exil lebenden Flüchtlingen. – Wobei sich im Zuge dieser Arbeit erste Widersprüche mit der seit der Unabhängigkeit an der Macht befindlichen Befreiungsbewegung manifestierten.[18] Dies sollte zu einer Prüfung christlicher Moral und Ethik werden, bei der weite Teile der namibischen Kirchen und insbesondere des CCN mit Erlangung der Unabhängigkeit versagten.
… zu den Herausforderungen der Gegenwart
Seit der Unabhängigkeit Namibias haben die im Befreiungskampf auf Seiten der Unterdrückten stehenden Kirchen im Lande ihre prophetische Rolle weitgehend der Loyalität zur Befreiungsbewegung an der Macht geopfert. Als Verbündete von einst taten sie sich schwer, öffentlich eine kritische Distanz zu Verfehlungen der SWAPO einzunehmen, von denen sie aufgrund der seelsorgerischen Arbeit im Exil schon sehr früh Kenntnis hatten. So wurden jene Geistliche, die sich im Angesicht von Menschenrechtsverletzungen im Exil im Sinne der Nächstenliebe ungeachtet politischer Loyalitäten aufrecht christlich-humanistisch verhielten, für ihren Einsatz geächtet und marginalisiert.[19]
Joseph Diescho fasste den Anpassungsprozess der Kirchen unter den neuen politischen Verhältnissen in der Feststellung zusammen, dass mit der Unabhängigkeit sich die Dinge zum Schlechteren veränderten. Wie die Gewerkschaften und die Studentenbewegung sei die Kirche ein Opfer der Pornographie politischer Macht geworden und habe ihre Orientierung verloren.[20] Tatsächlich wurde der Umgang mit den die Folter und Erdlöcher in Südangola überlebenden ehemaligen Gefangenen der SWAPO (die als ex-detainees bis heute stigmatisiert bleiben) zu einer Gewissensprüfung des CCN und zahlreicher seiner Mitgliedskirchen, bei denen diese versagten. Auch das Bekenntnis des deutschen Seelsorgers Siegfried Groth (1926-2011) vermochte an der Tabuisierung des Themas durch die Kirchen nichts zu ändern. Er wurde als Pastor für die Vereinigte Evangelische Mission unter den namibischen Flüchtlingen in den Anrainerstaaten im Südlichen Afrika zum Augenzeugen der Verfolgungen. Sein Schweigen und den langjährigen Gewissenskonflikt beendete er durch die Enthüllung seiner Beobachtungen Mitte der 1990er Jahre.[21] Doch bis heute haben die Kirchen eine eindeutige Stellungnahme dazu vermieden und damit die Überlebenden der SWAPO-Gefangenschaft im Stich gelassen.[22] Seit derer Rückführung zu Mitte 1989 appellierten diese vergeblich an den CCN sich ihrer anzunehmen. Auch in anderen moralisch-ethischen Fragen scheuten sich die Kirchen weitgehend, mittels kritischer Stellungnahmen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Als sich im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im November 2008 aufgrund der verschärften Konflikte durch die Neugründung der Oppositionspartei Rally for Democracy and Progress (RDP) das ansonsten eher friedliche Klima politischer Kampagnen änderte, ließen immerhin im Namen ihrer vier Bischöfe die drei lutherischen Kirchen im Lande am Ostersonntag, dem 23. März 2008, in den Gemeinden einen Hirtenbrief verlesen. Er äußerte Befürchtungen, dass sich das Land in punkto Freiheit und Demokratie rückwärts entwickeln könnte. Intoleranz, verbale Attacken und Gegenangriffe seien Zeichen zur Besorgnis. Es wurde darauf hingewiesen, dass politische Opponenten keine Feinde seien, sondern an einem demokratischen Gemeinwesen teilnehmen.[23] Zumeist hielten die Kirchen seit der Unabhängigkeit jedoch Abstand zu weltlichen Angelegenheiten. Durch das persönliche Engagement von Zephania Kameeta kam es zu einer seltenen Allianz zwischen Kirchen und Gewerkschaften. Als Theologe im antikolonialen Widerstand aktiv und zwischen 1990 und 2000 SWAPO-Abgeordneter und erster stellvertretender Parlamentsvorsitzender[24], beteiligte er sich während seiner Zeit als Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia (2002-2013) an der Lobby-Arbeit für ein allgemeines Grundeinkommen (Basic Income Grant). Seit März 2015 ist Kameeta als Minister für Armuts- und Wohlfahrtsangelegenheiten wieder im politischen Amt. Doch abgesehen von dieser Ausnahme verhielten sich die führenden kirchlichen Repräsentanten politisch zumeist abstinent.
So haben seit der Unabhängigkeit viele Gläubige die Amtskirchen verlassen und sich den immer populärer werdenden Sektenkirchen angeschlossen, die als neue Heilsbringer die Menschen mit messianischen Botschaften verführen. Dies mag nicht nur einer Politikverdrossenheit und der Enttäuschung über die Grenzen der Befreiung geschuldet sein. Es kann auch als Zeichen gedeutet werden, dass anders als vor der Unabhängigkeit die Kirchen im Lande jenseits der seelsorgerischen Arbeit nur noch wenig Identifikation für die auf der Suche nach Werten von der Politik enttäuschten Menschen bieten, deren Alltag oft kaum noch Zukunftshoffnung verspricht. Ihrer Aufgabe, zu einer dauerhaften Versöhnung auf der Grundlage eines auch sozialpolitisch aktiven Christentums beizutragen und dafür einzutreten, haben sie bestenfalls halbherzig erfüllt.[25] Nur vereinzelt regen sich Stimmen, wie die des früheren CCN-Generalsekretärs Abisai Shejavali, die eine Abkehr der neuen regierenden Elite von den christlichen Werten durch ihre Selbstbereicherung und Gier öffentlich brandmarken.[26]
Demgegenüber mehren sich Stimmen, die von den Kirchen eine stärkere Rolle in der politischen Diskussion fordern. Zwei Leserbriefe zur Jahresmitte 2016 dokumentieren dies. So wurde gefordert, dass im Sinne des christlichen Auftrags und Gemeinwohls Bischöfe sich zur Politik verhalten und die Kirchen sich an die Abgeordneten im Parlament wenden sollen.[27] Dies fand eine Woche später die ausdrückliche Zustimmung eines Jugendlichen. Der 19jährige mahnte, es wäre an der Zeit, dass Christen in Namibia sich im Sinne des Christentums auch gesellschaftlich engagieren. Sie sollten nicht nur den politischen Führern in den Kirchen selbst dann noch huldigen, wenn die Dinge schief laufen – wie zum Beispiel im Falle des geplanten Parlament-Neubaus. Wenn Christen im Lande 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen, hätten die Kirchen auch die Pflicht, diesen politisch eine Stimme zu eben.[28]
*Henning Melber [Jahresschrift der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia: Perspektiven 2017. Aktuelle Beiträge zu Kirche, Gesellschaft und Zeitgeschehen. 500 Jahre Reformation – auf den Spuren Martin Luthers in Namibia. Windhoek: Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia (DELK) 2016, pp. 89-94] Edition: Ben Khumalo-Seegelken.
A n m e r k u n g e n:
[1] Davon zeugt der umfangreiche Überblick von Gerhard L. Buys/Shekutaamba W. Nambala, History of the Church in Namibia, 1805-1990. An Introduction. Windhoek: Gamsberg Macmillan 2003. Siehe auch Carl-J. Hellberg, Mission, Colonialism, and Liberation: The Lutheran Church in Namibia, 1840-1966. Windhoek: New Namibia Books 1997.
[2] Ein Glaube, der von den früher im 19. Jahrhundert aus Südafrika eingewanderten Orlam-Nama bereits im Reisegepäck mit gebracht wurde; vgl. hierzu ausführlich Tilman Dedering, Hate the old and follow the new: Khoekhoe and missionaries in early nineteenth-century Namibia. Stuttgart: Steiner 1997. Auch die ebenfalls aus Südafrika eingewanderten Basters waren bereits Christen. Einen (quellenkritischen) Einblick in die Anfangsjahre der Mission geben die von Brigitte Lau herausgegebenen Aufzeichnungen von Carl Hugo Hahn, Tagebücher 1837-1860. Diaries. A missionary in Nama- and Damaraland. 5 Bände. Windhoek: Archives Services Division of the Department of National Education SWA/Namibia 1984-1986.
[3] Vedders zahlreiche Studien blieben eine dauerhafte (wenn auch umstrittene) Hinterlassenschaft, wie nicht zuletzt die 2016 erneut in englischer Fassung publizierte Landesgeschichte seines Monumentalwerkes Das alte Südwestafrika (South West Africa in Early Times) durch die Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft in Windhoek dokumentiert. Auch war er lange Jahre an der Herausgabe der vorliegenden Jahresschrift beteiligt, die seit 1930 als Afrikanischer Heimatkalender erschien.
[4] Johannes Spiecker, Mein Tagebuch: Erfahrungen eines deutschen Missionars in Deutsch-Südwestafrika 1905-1907. Herausgegeben von Lisa Kopelmann und Martin Siefkes. Berlin: Simon Verlag für Bibliothekswissen 2013. Hierzu auch die Quellenanalyse seines Urenkels: Martin Siefkes, Sprache, Glaube und Macht. Die Aufzeichnungen des Johannes Spiecker in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit des Herero-Nama-Aufstands. Würzburg: Königshausen & Neumann 2013.
[5] Siehe als allgemeineres, behutsam kritisch wertendes Standardwerk Horst Gründer, Christliche Mission und deutscher Imperialismus: eine politische Geschichte ihrer Beziehungen während der deutschen Kolonialzeit (1884-1914) unter besonderer Berücksichtigung Afrikas und Chinas. Paderborn: Schöningh 1982. Auf seiner sehr kenntnisreichen Dissertation zur Rolle der Rheinischen Mission basiert das Kapitel von Lothar Engel: „Die Rheinische Missionsgesellschaft und die deutsche Kolonialherrschaft in Südwestafrika 1884-1915“. In: Klaus J. Bade (Hrsg.), Imperialismus und Kolonialmission: Kaiserliches Deutschland und koloniales Imperium. Wiesbaden: Steiner 1982, S. 142-164. Einem von den Kirchen und Missionswerken in Deutschland und dem südlichen Afrika initiierter Studienprozess sind zwei umfangreiche Sammelbände zu verdanken, die viele Aspekte der gemeinsamen Geschichte von den Anfängen bis in die 1980er Jahre beleuchten und aufarbeiten: Hanns Lessing/Julia Besten/Tilman Dedering/Christian Hohmann/Lize Kriel (Hrsg.), Deutsche evangelische Kirche im kolonialen Südlichen Afrika. Die Rolle der Auslandsarbeit von den Anfängen bis in die 1920er Jahre. Wiesbaden: Harrassowitz 2011 und Hanns Lessing/Tilman Dedering/Jürgen Kampmann/Dirkie Smit (Hrsg.), Umstrittene Beziehungen. Protestantismus zwischen dem Südlichen Afrika und Deutschland von den 1930er Jahren bis in die Apartheidzeit. Wiesbaden: Harrassowitz 2015. In beiden Bänden finden sich Kapitel zu in diesem Text behandelten Themen. Die spezifische Rolle der Deutschsprachigen in der Missions- und Kirchengeschichte des Landes bis in die Unabhängigkeit behandelt ausführlich Guido Jura, Deutsche Spuren in der Kirchen- und Gesellschaftsgeschichte Namibias. Dissertation (2 Bände). Bochum: Ruhr Universität 2002 [http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/dissts/Bochum/Jura2003.pdf]. Die Rolle der Katholischen Kirche präsentiert zusammenfassend Heinz Hunke, Church and State: the political context of 100 years of Catholic mission in Namibia. Windhoek: Roman Catholic Church 1996.
[6] Siehe zur African Methodist Episcopal Church (AMEC) Kathesa Schlosser, Eingeborenenkirchen in Süd- und Südwestafrika. Kiel: Mühlau 1958, S. 71-124; zur Oruuano Protestant Unity Church informiert Ehrenfried Kandovazu, The origin and history of the Oruuano church in Namibia. Windhoek: Klaus Hess 2009 und Theo Sundermeier, Wir aber suchten Gemeinschaft. Kirchwerdung und Kirchentrennung in Südwestafrika. Erlangen: Luther Verlag und Verlag der Ev.-Luth. Mission Witten 1973, S. 85-203; sowie zu beiden Kirchen Zedekia Ngavirue, “On Wearing the Victor’s Uniforms and Replaying their Churches. South West Africa (Namibia) 1920-1950”. In: G. W. Trompf (Hrsg.), Cargo Cults and Millenarian Movements. Berlin und New York: Mouton De Gruyter 1990, S. 391-424.
[7] ”Face to Face With Nahas”, The Namibian, 3. Mai 2004 [http://www.namibian.com.na/Face-to-face-with-Nahas/7313/archive-read].
[8] Siehe hierzu Lovisa T. Nampala, „Christianisation and Cultural Change in Northern Namibia. A Comparative Study of the Impact of Christianity on Oukwanyama, Ondonga and Ombalantu, 1870-1971.“ In: Lovisa T. Nampala/Vilho Shigwedha, Aawambo Kingdoms, History and Cultural Change. Perspectives from Northern Namibia. Basel: Schlettwein 2006.
[9] Meredith McKittrick, To Dwell Secure. Generation, Christianity, and Colonialism in Ovamboland. Portsmouth, NH: Heinemann, Oxford: James Currey und Cape Town: David Philip 2002, S.17. Die Verfasserin fügt dem hinzu, dass der Kolonialismus ohne die Präsenz der Missionare ganz anders gewesen wäre.
[10] „The Enlightenment of Theo Ben Gurirab“, Us Namibia Magazine, 6. Juli 2016 http://www.usnamibia.com.na/2016/07/06/the-enlightenment-of-theo-ben-gurirab/].
[11] Der exponierte namibische Intellektuelle Joseph Diescho, selbst stark christlich geprägt, wies in einer seiner Kolumnen auf die zentrale Bedeutung der Kirchen und ihrer Schulen bei der Formierung des neuzeitlichen antikolonialen Widerstands hin: „Diescho’s Dictum – The role of the Church in Namibia“, New Era, 29. Juli 2014 [https://www.newera.com.na/2014/07/29/dieschos-dictum-the-role-of-the-church-in-namibia/].
[12] Das Statement von Präsident Geingob ist in voller Länge auf der offiziellen Facebook Seite des Staatshauses unter dem folgenden Link zugänglich: https://www.facebook.com/NamibianPresidency/posts/899172286860902. Geingob selbst besuchte ab 1958 das Augustineum, wurde 1960 wegen politischer Aktivitäten zeitweilig der Ausbildungsstätte verwiesen, konnte aber 1961 seine Lehrerausbildung dort abschließen.
[13] Siehe dazu Colin O’Brien Winter, Namibia. Grand Rapids, Michigan: William B. Eerdmans 1977.
[14] Zu den des Landes verwiesenen Mitarbeitern der Anglikanischen Kirche gehörte auch Justin Ellis und dessen Frau Enid, die nach der Unabhängigkeit zurückkehrten. Justin Ellis war bis zur Pensionierung leitender Beamter im Erziehungsministerium.
[15] Dazu Katherine Caufield Arnold, The Transformation of the Lutheran Church in Namibia: How the church evolved into a ‘voice for the voiceless’. Bachelor Thesis, Williamsburg: College of William and Mary in Virginia 2009 [https://digitalarchive.wm.edu/bitstream/handle/10288/1168/Final?sequence=1]. Siehe zu Bischof Auala: Leonard Auala/Kirsti Ihamäki, Meßlatte und Bischofsstab. Neuendettelsau: Erlanger Verlag für Mission und Ökumene 1988.
[16] Dazu Peter Katjavivi/Per Frostin/Kaire Mbuende (Hrsg.), Church and liberation in Namibia. London: Pluto Press 1989.
[17] Gerhard Tötemeyer/ Vezera Kandetu/Wolfgang Werner (Hrsg.), Namibia in Perspective. Windhoek: Council of Churches in Namibia 1987 (deutsch als Perspektiven für Namibia. Berichte – Analysen – Zeugnisse. Bonn: Informationsstelle Südliches Afrika 1990).
[18] Siehe dazu unterschwellig bereits Magdalena und Erastus Shamena, Wir Kinder Namibias: eine Lebensgeschichte. Aufgezeichnet von Kirsti Imahäki. Wuppertal: Verlag der VEM und Erlangen: Verlag der Ev.-Luth. Mission 1984.
[19] Ein besonders erschütterndes Dokument ist der 2011 erschienenen Dokumentarfilm From Namibia With Love von Laura Meriläinen-Amaumo. Er schildert das Leben des im Januar 2015 verstorbenen Pastors Salatiel Ailonga und seiner aus Finnland stammenden Frau Anita die als Erzählerin die Hauptfigur der ergreifenden Geschichte ist. [http://www.fromnamibiawithlove.com/].
[20] „Come political independence, things changed, arguably for the worse as far as the role of the Christian Church is concerned. Like the labour unions and student organizations, the church fell prey to the pornography of political power and lost its direction.“ Joseph Diescho, a.a.O.
[21] Siegfried Groth, Namibische Passion. Tragik und Größe der namibischen Befreiungsbewegung. Wuppertal: Peter Hammer 1995 (engl. als Namibia: The Wall of Silence, 1996).
[22] Siehe ausführlich dazu Justine Hunter, Die Politik der Erinnerung und des Vergessens in Namibia: Umgang mit schweren Menschenrechtsverletzungen der Ära des bewaffneten Befreiungskampfes, 1966-1989. Frankfurt/Main: Lang 2008; Christian A. Williams, National Liberation in Postcolonial Southern Africa. A Historical Ethnography of SWAPO´s Exile Camps. New York: Cambridge University Press 2015.
[23] Siehe dazu Henning Melber, A Decade of Namibia. Politics, Economy and Society. The Era Pohamba, 2004-2015. Leiden: Brill 2016, S. 76.
[24] Siehe zu diesem Jörg Baumgarten (Hrsg.), Zephania Kameeta. Im Wind der Befreiung. Grenzgänger zwischen Kirche und Politik. Wuppertal: Peter Hammer 2004.
[25] Siehe dazu Gerhard Tötemeyer, Church and State in Namibia. The Politics of Reconciliation. Freiburg: Arnold Bergstraesser Institute 2010 und ders., Namibia Today – Challenges and Obstacles to Reconciliation and Stability. Windhoek: Namibia Institute for Democracy 2014.
[26] „Politicians are not God-Fearing – Shejavali“, Namibian Sun, 24. März 2014
[http://www.namibiansun.com/politics/politicians-are-notgod-fearing-shejavali.64109]. Allerdings muss sich Shejavali dem Vorwurf stellen, dass er sich als CCN-Generalsekretär dem Leid der ex-detainees gegenüber ausweichend verhielt.
[27] Daniel Kasanga, „Should Churches be in Politics?“, The Namibian, 24. Juni 2016
[http://www.namibian.com.na/Should-Churches-be-in-Politics/42141/read].
[28] Johannes Kalipa Siwoko, „Christians Must Correct Government“, The Namibian, 1. Juli 2016 [http://www.namibian.com.na/Christians-Must-Correct-Government/42448/read].
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