… doch Mord? – Staatsversagen!

2005 wurde der Asylsuchende Oury Jalloh in einer Polizeizelle verbrannt aufgefunden. Neue Ermittlungsakten, die in diesen Tagen veröffentlicht wurden, zeigen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde Oury Jalloh getötet.

Ursula Rüssmann* kommentiert:

Ein Mord im Polizeigewahrsam, kaschiert als Selbstverbrennung und zwölf Jahre lang amtlich vertuscht: Was sich jetzt als die mutmaßliche Wahrheit im Fall Oury Jalloh herausstellen könnte, ist eine der größten vorstellbaren Katastrophen in einem Staat, der auf Rechtstaatlichkeit gründet. Jallohs Angehörige und ihre Unterstützer und Unterstützerinnen müssen sich wohl bestätigt fühlen im Verdacht, staatliche Stellen hätten jahrelang die Aufklärung hintertrieben.

Der Vertrauensverlust für Polizei, Ermittlungs- und Innenbehörden ist riesig und passt leider zu gut zu den Erfahrungen mit den NSU-Morden, die nach ihrer viel zu späten Aufdeckungen jetzt auch noch unzureichend aufgeklärt werde. Staatsversagen ist das, schon wieder.

Nun ist Dessau nicht typisch für den Alltag auf deutschen Polizeistationen. Aber die Berichte von Übergriffen, die nie aufgeklärt wurden, füllen bei Organisationen wie Amnesty International Datenbänke. Kürzlich erst hat eine UN-Arbeitsgruppe Deutschland wegen des polizeilichen Umgangs mit Migranten und Migrantinnen aus Afrika „Institutionelle Rassismus“ vorgeworfen. Die alte Forderung nach unabhängigen Beschwerdestellen in Bund und Ländern haben bisher nur drei Länder umgesetzt. Der politische Wille fehlt, die Missstände zu beheben. Auch das ist Staatsversagen.

*Ursula Rüssmann, Frankfurter Rundschau, 17.11.2017, Seite 11.

>> Manfred Kirsch: Offensiv für Menschenrechte eintreten

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Kommentare zu »… doch Mord? – Staatsversagen!«

  1. Immer mehr mutmaßliche Wahrheiten über den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle vor zwölf Jahren kommen ans Licht der Öffentlichkeit und bestätigen die Befürchtung kritischer Juristen und Angehöriger, dass es sich in dem Fall in Dessau um Mord handele. Das Deutschland-Kapitel des Jahresberichtes von Amnesty Internation wird sowieso in jedem Jahr umfangreicher. Es beschäftigt sich meistens mit Polizeiübergriffen gegen Flüchtlinge und andere Menschen ausländischer Herkunft.

    Im konkreten skandalösen Fall des Mannes aus Sierra gab es immer wieder den Versuch der Ermittlungsbehörden, der Öffentlichkeit das Märchen vom Suizid aufzutischen und die Aufklärung des Falles zu behindern. In der Tat ist dieser Vorgang so ziemlich der größte katastrophale Vorfall in einem sich als Rechtsstaat verstehenden Gemeinwesen und schreit nach Konsequenzen. Eine Kommission unabhängiger Ermittler mit internationaler Besetzung wäre durchaus angemessen.

    Es kann hierbei nicht darum gehen, pauschale Vorwürfe gegen die Polizei zu erheben, aber leider sind gerade Berufe im Sicherheitsbericht oftmals von Sympathisanten rechten Gedankenguts besetzt, wie auch die von der Justiz für rechtmäßig erklärte Suspendierung eines Nazis im Polizeidienst von Berlin bestätigt. Der Vorwurf des institutionellen Rassismus gegen Polizeibeamte und Mitarbeiter von Behörden ist durch aus treffend, und jeder in der Flüchtlingsarbeit engagierte Mitmensch wid schon einmal Erfahrung damit gemacht haben. Unabhängige Beschwerdestellen in nur drei Bundesländern reichen nicht aus.

    Es ist leider zu befürchten, dass unter dem Druck von rechts das menschenrechtswidrige Staatsversagen noch weiter um sich greifen wird. Die Gewerkschaft der Polizei sollte daher im Interesse ihrer korrekt arbeitenden und dem Rechtsstaat verpflichteten Kolleginnen und Kollegen Druck auf die Politik ausüben und sich für Aufklärung entsprechender Beschwerden einsetzen. Wer staatliches Gewaltmonopol ausübt, der muss es mit Demokratie und Menschrechten ernst meinen und für sie offensiv eintreten.

    Manfred Kirsch, Neuwied.

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