Ben Khumalo-Seegelken*:
„Gemeinschaft der Verschiedenen“ – Bei Kirchens ebenso?
Für Menschen, die heiraten (wollen), gilt auch hierzulande mittlerweile gleiches Recht.
Ehepaare, die ihre Eheschließung anschließend gottesdienstlich feiern wollen, werden in den meisten Kirchengemeinden jedoch nach wie vor abgewiesen, wenn sie gleichen Geschlechts – also Schwule oder Lesben – sind. Wiederum um Entschuldigung wird bisweilen darum gebeten.
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Hintergrund:
Menschen, die in den Gemeinden und in Leitungsgremien der evangelischen Kirche mitreden und mitentscheiden, sind oft verschiedener Meinung (gewesen), wenn es um die Forderung ging (und geht), gleichgeschlechtlich liebende und lebende Mitmenschen – Lesben und Schwule also -, vorbehaltlos anzunehmen und nicht mehr auszuschließen, zu verachten oder gar zu verdammen.
Der bisweilen leidenschaftlich geführte Meinungsstreit konzentrierte sich seit dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes 2001 auf die Frage, ob ein Paar gleichen Geschlechts eine Segenshandlung in einem öffentlichen Gottesdienst erhalten durfte. Die verschiedenen Positionen beriefen sich oft auf die Bibel – die „heilige Schrift“; das protestantische Erbe aus der Reformation wurde ebenfalls nach Argumenten abgeklopft.
Die 1977 entstandene Interessengemeinschaft „[Ökumenische] Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V.“ brachte sich stets konstruktiv-kritisch und richtungsweisend in kirchenpolitische und theologische Diskussionsveranstaltungen in Gemeinden, Pfarrkollegien und Leitungsgremien ein und steuerte u.a. Anregungen und Entwürfe bei, die nach und nach angenommen wurden und inzwischen teilweise weitgehend umgesetzt worden sind.
In maßgebenden Fachkreisen sind weiterführende Entscheidungshilfen entwickelt und in einigen Leitungsgremien noch vor dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftgesetzes 2001 verbindliche Handlungsanweisungen beschlossen worden, um dadurch die bis dahin praktizierte Ausgrenzung endlich ausdrücklich zu unterbinden und die geforderte bedingungslose Akzeptanz und Gleichberechtigung zu ermöglichen.
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Seit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ (des `Eheöffnungsgesetzes´) 2017 gilt hierzulande:
„Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“
In Gemeinden und Leitungsgremien der evangelischen Kirche gibt es jedoch Menschen, die nach wie vor daran festhalten wollen, dass Paare gleichen Geschlechts ausgegrenzt bleiben; ein Gottesdienst anläßlich der Eheschließung, eine „Trauung“, solle demnach weiterhin ausschließlich Paaren verschiedenen Geschlechts vorbehalten bleiben. Nur 8 von 20 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) haben (spätestens) seit dem Inkrafttreten des Eheöffnungsgesetzes 2017 nachgeholt und in ihren Gemeinden die „Trauung“ auch Paaren gleichen Geschlechts geöffnet.
Eine Gemeinschaft, in der Menschen in ihrer Verschiedenheit zusammengehören und sich untereinander vorbehaltlos annehmen und gleichberechtigt miteinander umgehen, bleibt auch in Gemeinden und Leitungsgremien der evangelischen Kirche eine klägliche Ausnahmeerscheinung. Die Leitvorstellung einer „Gemeinschaft der Verschiedenen“ bleibt vorerst eine Illusion. Das Denken und Handeln im Sinne der Apartheid scheint in vielen Gemeinden und Leitungsgremien der evangelischen Kirche hierzulande tiefer verwurzelt zu sein als bisher gelegentlich anzunehmen gewesen ist.
Das Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetz 2001 hat in einigen Gemeinden und Leitungsgremien der evangelischen Kirche und in Teilen der allgemeinen Öffentlichkeit einen Prozess in Gang gesetzt, der mit dem Inkrafttreten des geänderten Ehegesetzes 2017 fortgesetzt wurde und dessen Abschluss lange noch nicht abzusehen ist.
Wann ist endlich Schluss damit, dass Menschen – in wessen Auftrag auch immer – mutwillig sich über geltendes Recht hinwegsetzend Mitmenschen ausgrenzen, bedrängen, verunglimpfen, übervorteilen, billigend in Kauf nehmen, sie dadurch gesellschaftlich in Verruf geraten zu lassen … … – dazu noch ohne dass sie dafür rechtlich belangt werden würden? Sollen jene Kirchen weiterhin diskriminieren dürfen, Menschen gegeneinander ausspielen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft willentlich in Frage stellen und beeinträchtigen? Wann ist endlich Schluss damit?
.… Fortsetzung folgt
*Dr. Ben Khumalo-Seegelken, Theologe, Sozialwissenschaftler,
Initiator: Arbeitskreis Evangelische Kirchenpolitik (EvKiPo) der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V.
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Vgl. >>Initiative Regenbogen und Homosexualität – Ev. Landeskirche Württemberg
>> Mut zur Freiheit – CSD Stuttgart 2019
>> LSBTI in Südafrika – Von der Verfassung geschützt, ...
>> Vorträge und Vorlesungen im Rückblick
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Anmerkungen:
[1] Die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) kam 1995 zu einem Beschluss, der sich einerseits gegen die Diskriminierung und Demütigung homosexuell lebender Menschen und für ihre vorbehaltlose Annahme in der christlichen Gemeinde aussprach, und der andererseits die Uneinigkeit in der theologischen Urteilsbildung der Gemeinden, Presbyterien und Kirchenkreise feststellte, eine Uneinigkeit, die sich besonders auf das Verständnis von Sexualität, Ehe und nichtehelichen Lebensgemeinschaften und auf die rechte Auslegung biblischer Aussagen hierzu bezog (Beschuss 62/LS 1995). So wurde klar, dass das Thema `Homosexualität´ nur im Zusammenhang des umfassenderen Themas `Sexualität – Ehe – Lebensformen´ behandelt werden sollte und dass die Fragen nach `Trauung und Segnung´ einer gründlicheren Vorbereitung bedurften. Dabei ging es schon u.a. um die Möglichkeit einer Einführung von Segenshandlungen für Paare in nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften und für gleichgeschlechtliche Paare. [Siehe ebenso: Das Bremer Modell zur Partnerschaftssegnung 1995]
Lieber Ben !
Bei uns in der Christuskirche werden Schwule oder Lesben nicht abgewiesen.
Ich vermute, in katholischen Kirchen werden sie abgewiesen, aber in evangelischen Kirchen dürften sie doch nicht abgewiesen werden !?!? Ausser allerdings wenn ein PastorIn es nicht “ mit ihrem Gewissen vereinbaren kann „.
Danke für die Email !!
L. G. Eva
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Liebe Eva,
was wir beispielweise in der Oldenburgischen Kirche* schon erreicht haben, muss andernorts [z.B. in der Württembergischen Kirche] immer noch angemahnt werden. Daher die rhetorische Frage: Wann ist endlich Schluss damit?
Liebe Grüße!
Ben.
*Dass es selbst in eurer Christuskirchengemeinde nicht immer so gewesen ist, wirst du dir ja bestimmt vorstellen können!
Lieber Ben,
umso wichtiger, dass das hier in der ELKiO nicht mehr so ist. ?
Herzlichen Gruß, auch an Ubbo, von
Ulrike
Kreispfarrerin Ulrike Hoffmann
Liebe Ulrike,
gerne erzähle ich immer wieder davon, wie wir damals bei uns in Oldenburg darum gekämpft haben, dass es endlich anders wird.
In diesem Sinne und mit lieben Grüßen – auch von Ubbo,
Ben.
Es sind die KIRCHEN und das KIRCHENVOLK, die uns diesen Schlamassel bescheren. Auch tun das die meisten anderen RELIGIONEN, also muss es auch etwas mit diesen zu tun haben. Alles sehr unerfreulich.
Herzliche Grüße aus dem befreiten Berlin
von Rüdiger
Hallo Ben,
in Wardenburg sind gleichgeschlechtliche Paare herzlich willkommen zur Trauung!!
Liebe Grüße, Martin
Hallo Martin,
gut, dass wir schon damals so unnachgiebig darum gekämpft haben! [siehe z.B.: Oldenburger Synode 2002 https://www.benkhumalo-seegelken.de/wp-content/uploads/HuK-Oldenburg_auf-der-Synode_Mai-2002-4.pdf%5D
Umso wichtiger ist es, dass wir weiter kämpfen, damit Menschen in anderen Gemeinden und Landeskirchen endlich im Sinne des inzwischen errungenen Ehegesetzes nicht mehr ausgegrenzt werden
Liebe Grüße,
Ben.
Sehr geehrter Herr Khumalo-Seegelken,
Ihre Nachricht hat den bundesweiten Info-Service der evangelischen Kirche erreicht. Wir bedauern, dass Sie Kirche und kirchliches Handeln in den von Ihnen angesprochenen Bereichen nicht so wahrnehmen, wie wir und die meisten Beteiligten es wünschen würden. Gern geben wir Ihnen weitere Informationen dazu:
Die Frage nach gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, insbesondere der (auch kirchlichen) Anerkennung als Ehe, wurde und wir durchaus kontrovers diskutiert. Das Thema erlangte erneute Aktualität nach dem Referendum in Irland (22. Mai 2015) sowie den Diskussionen zum Thema beim 35. DEKT/Kirchentag in Stuttgart Anfang Juni 2015 in Stuttgart.
In der breiten Öffentlichkeit wird der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein offener und toleranter Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren zugeschrieben. Gerade in den letzten Jahren hat sich dazu sehr viel entwickelt und zwischenzeitlich bestehen in allen Landeskirchen Möglichkeiten der Segnung und Trauung für die Paare.
Auf der Seite https://www.evangelisch.de/inhalte/111225/20-11-2014/segnung-homosexueller-bunt-wie-ein-regenbogen finden Sie die Positionen und Angebote der einzelnen Landeskirchen.
Die zweifelsohne noch gegebenen Differenzen sind im wechselseitigen Respekt derzeit (noch) auszuhalten.Dabei ist es wichtig, respektvoll miteinander umzugehen und sich dem sachlichen Dialog mit Argumenten zu stellen.
Wir wissen nicht genau, in welchen Gemeinden Sie Ihre Erfahrungen gemacht haben. Wir ermutigen Sie jedoch, das Thema weiter vor Ort mutig und selbstbewusst anzusprechen..
Mit freundlichen Grüßen und guten Wünschen
i.A. A. Mehlau
Mitarbeiterin im Team Info-Service der evangelischen Kirche
Tel. 0800-5040602, E-Mail: info@ekd.de
facebook.com/ekd.de, twitter.com/EKD
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Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
Kirchenamt – Stabsstelle Kommunikation
Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover
http://www.ekd.de
Sehr geehrte Frau Mehlau,
ich danke Ihnen für Ihre Rückmeldung.
Sie ermutige ich ebenfalls, den auch von mir angesprochenen Umstand fortwährender Ausgrenzung Liebender gleichen Geschlechts „mutig und selbstbewusst“ zur Sprache zu bringen, um hoffentlich auch so zur erstrebenswerten Gemeinschaft der Verschiedenen auch in den Gemeinden evangelischer Kirchen hierzulande beitragen zu können.
Mit freundlichen Grüßen und guten Wünschen,
Ben Khumalo-Seegelken.
[…] lautstärker geworden. Menschenverachtende Ideologien der Ungleichheit befeuern Ressentiments. Religiös-fundamentalistische, rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte kämpfen voller Hass darum, LSBTI gleiche Rechte […]
Hallo Ben Khumalo-Seegelken,
genau das fragen wir uns auch! Daher dürfen wir auch nicht locker lassen. Weiter Druck aufbauen, im Gespräch bleiben, die Kirchenwahl nutzen.
Unsere ausführliche Stellungnahme dazu: https://www.csd-stuttgart.de/neuigkeiten/aktuelles/89-neuigkeiten-event/135-segnungsgottesdienste
Beste Grüße
IG CSD Stuttgart e.V.
Christoph Michl
Geschäftsführer
Hallo Christoph Michl,
eben, nicht locker lassen und unbeirrt sachlich bleiben!
Gutes Vorankommen!
Ben Khumalo-Seegelken.