Allenfalls ein Bußgeld

Soweto 1976 ...

Deutsche Firmen verletzen im Ausland immer wieder Menschenrechte – juristische Folgen hat das selten

Die deutsche Regierung stellt sich nach Ansicht von Misereor, Brot für die Welt und des European Centre for Constitutional and Human Rights (ECCHR) allzu oft hinter die Interesses der Wirtschaftsunternehmen und blockiert internationale Initiativen für verbindliche Regeln zur Einhaltung der Menschenrechte.

Jüngstes Beispiel ist die Sitzung des UN-Menschenrechtsrates am 26. Juni 2014: Die Mitgliedsstaaten verabschiedeten in Genf eine Resolution, um ein verbindliches Abkommen auszuarbeiten. Dieses sollte transnationale Konzerne zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichten. Deutschland zählte mit den USA und Kanada zu den zahlreichen Industrieländern, die gegen die Resolution stimmten und drohten, den Prozess zu boykottieren.

Ein Bündnis von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen will europäische Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen in Entwicklungsländern stärker zur Verantwortung ziehen. Dazu müsse das deutsche Straf- und Zivilrecht geändert werden, forderten die kirchlichen Hilfswerke „Brot für die Welt“ und Misereor sowie das Europäische Menschenrechtszentrum ECCHR in Berlin. Einer neuen Studie der Organisation zufolge sind bislang noch zu viele rechtliche Hürden vorhanden, die Klagen der Opfer vor deutschen Gerichten erschweren.

Menschen in Asien, Lateinamerika und Afrika sind demnach vielfach Opfer von Menschenrechtsverletzungen, die direkt oder indirekt von internationalen Unternehmen ausgelöst werden. Sie litten unter Umweltverschmutzungen, Enteignungen für Landwirtschaft und Rohstoffabbau oder unter hochgiftigen Pestiziden europäischer Firmen, die auf dem hiesigen Markt bereits verboten seien. Proteste der lokalen Bevölkerung würden häufig im Auftrag der Firmen von Paramilitärs blutig niedergeschlagen.

Wenn deutsche Unternehmen im Ausland aktiv werden, gründen sie in den meisten Fällen Tochterfirmen. Der Studie zufolge stellt diese Praxis das zentrale Hindernis für erfolgreiche Klagen in Deutschland dar. „Für das Verhalten ihrer Tochterfirmen können Unternehmen in Deutschland nicht ausreichen haftbar gemacht werden, obwohl es sich faktisch um das gleiche Unternehmen handelt“, beklagte die Menschenrechtsexpertin von „Brot und die Welt“, Sarah Lincoln. „Es kann nicht sein, dass die Gewinne zwischen Mutter- und Tochterfirma hin-und hergeschoben werden, aber die rechtliche Verantwortung Sache der Tochterfirma bleibt.“

Mehr als ein Jahr nach der Katastrophe von Rana Plaza (Bangladesch) könnten sich die deutschen Unternehmen ihrer rechtlichen Verantwortung unter Hinweis auf ihre Partnerfirmen vor Ort noch immer entziehen. Im April 2013 waren dort beim Einsturz einer Textilfabrik mehr als 1100 Menschen gestorben. Der Gesetzgeber müsse die Verantwortung deutscher Firmen für ihre ausländischen Subunternehmer dringend festschreiben, forderte Lincoln. Vorbild für schärfere Gesetze könne Großbritannien sein. Dort gab es schon eine Reihe erfolgreicher zivilrechtlicher Klagen gegen internationale Konzerne.

Deutschland isoliert

Um die Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen, müsse Deutschland zudem ein Unternehmensstrafrecht einführen. Bislang kann den Firmen allenfalls ein Bußgeld für Ordnungswidrigkeiten auferlegt werden. Tatsächlich strafrechtlich verfolgt werden, können nur einzelne Beschäftigte. Mit dieser Haltung stehe Deutschland mittlerweile europaweist isoliert da, beklagten die Hilfswerke. Sie forderten zudem, Sammelklagen zu erlauben, damit sich die Opfer von Menschenrechtsverletzungen im Ausland die Gerichtskosten teilen können. Es könne nicht sein, dass jede geschädigte Person einzeln klagen müsse, wenn tatsächlich Tausende von Menschen betroffen seien. epd

Quelle: Frankfurter Rundschau (FR) 5./6. Juli 2014, Seite 19

Dazu siehe auch >> Offener Brief: Menschenrechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen im Ausland

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