Es ist ein bemerkenswerter Satz, der im achten Kapitel des Koalitionsvertrags von SPD, CDU und CSU geschrieben steht:
„Ohne Erinnerung keine Zukunft – zum demokratischen Grundkonsens in Deutschland gehören die Aufarbeitung der NS-Terrorherrschaft und der SED-Diktatur, der deutschen Kolonialgeschichte, aber auch positive Momente unserer Demokratiegeschichte.“
Zum ersten Mal wird damit das Thema Kolonialismus in einer Regierungsvereinbarung des Bundes explizit erwähnt – fast genau 100 Jahre nach dem Ende der reichsdeutschen Kolonialherrschaft in den Jahren 1918 und 1919.
Das zeigt: °Der Auseinandersetzung um den deutschen Kolonialismus kann sich offenbar auch die Bundespolitik nicht mehr entziehen. Wahlen gewinnt man damit freilich nicht. Dennoch haben die Landesverbände einiger Parteien postkoloniale Forderungen mittlerweile in ihre Wahlprogramme aufgenommen. Gleichwohl ist die Rede vom „Grundkonsens“ im Koalitionsvertrag denkwürdig. Denn hierzulande gibt es bislang kaum ein Bewusstsein dafür, dass Deutschland nicht nur eine postnationalsozialistische, sondern auch eine postkoloniale Gesellschaft ist. °Die Kolonisierung hat nicht nur Spuren bei den Kolonisierten und in den ehemals besetzten Gebieten hinterlassen, sondern auch bei den kolonialisierenden Gesellschaften in Europa. °Eine Gedenkkultur aber, etwa im Hinblick auf die Opfer in Afrika, in China und in Ozeanien, oder eine Würdigung von frühen Kritikern und Widerstandskämpfern gegen deutsche Vertragsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschheit, gewaltvolle oder betrügerische Landnahmen und Kolonialisierungsprozesse existiert hierzulande nicht.
Die meisten Menschen in Deutschland wissen nach wie vor sehr wenig über diesen Teil der Geschichte und deren Nachwirkungen in der Gegenwart – auch wenn sich dies nun langsam zu ändern scheint. Weder in Museen, der Bundeswehr, in Wirtschaftsverbänden, Schulen und Universitäten noch in Medien, Kirchen, in der Gedenkstättenlandschaft oder im öffentlichen Stadtraum wird aktiv, umfassend und in einem aufklärerisch-kritischen Sinne über die deutsche Kolonialgeschichte und die daraus erwachsene Gegenwart informiert.
Die vielen Leerstellen im Hinblick auf die Kolonialgeschichte und ihre Spuren in Deutschland sind nicht zuletzt Ausdruck eines in der Gesellschaft vorherrschenden rassistischen Wissens, das jenseits individueller Haltungen wirksam ist: Dieses besteht nicht nur aus einer Kultur der öffentlichen Amnesie, sondern auch aus einer Kultur der nostalgischen Verklärung und Verharmlosung, in manchen Fällen sogar der Verherrlichung des deutschen Kolonialismus und seiner Verbrechen gegen die Menschheit.
Dekolonialisierung als Querschnittsthema?
Immerhin: Sowohl das gesellschaftliche Stillschweigen als auch die sichtbaren Spuren im öffentlichen Raum – wie beispielsweise nach Kolonialherrschern benannte Straßen – werden zunehmend in Frage gestellt. Postkoloniale Initiativen in Hamburg, Freiburg, Oldenburg, Berlin, München und vielen anderen Städten bieten seit Jahrzehnten Rundgänge, Ausstellungen und Veranstaltungen zu diesem Thema an.[1] Auch die postkolonialen Studien und Interventionen insbesondere von Nachfahren kolonisierter Menschen, von Schwarzen Wissenschaftlern und Aktivisten of Colour haben in den letzten Jahren für einen Perspektivwechsel geworben. Bündnisse von Nichtregierungsorganisationen wie „No Humboldt 21!“, „Decolonize Bremen“ oder „Völkermord verjährt nicht!“ haben Museen, Behörden und die Öffentlichkeit hartnäckig mit Kritik, Forderungen und Wünschen nach einer Dekolonialisierung konfrontiert.
Nun scheinen diese allmählich in der Politik anzukommen. Doch warum gerade jetzt? Sicher ist die langjährige Arbeit postkolonialer Initiativen ein Grund für die aktuelle Resonanz. Doch reicht das bei weitem nicht aus, um die zunehmende Aufmerksamkeit für das Thema zu erklären. Diese resultiert vielmehr aus einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren in einem postmigrantischen und globalen Kontext.
Zudem bewirkten die sich seit über drei Jahre schleppenden Verhandlungen zwischen der namibischen und der deutschen Regierung über die Anerkennung des Völkermords der deutschen Kolonialmacht an den Ovaherero und Nama sowie über eine offizielle Entschuldigung und Entschädigung ein geräuschvolles Medienecho. Auch die Klage mehrerer Opferverbände und traditioneller Autoritäten der Ovaherero und Nama gegen die Bundesrepublik Deutschland vor einem New Yorker Bezirksgericht sorgt immer wieder für Schlagzeilen.
Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy führt die Fortschritte darüber hinaus auf einen Generationenwechsel zurück. Exemplarisch für diesen steht der junge französische Präsident Emmanuel Macron: Dieser hatte Ende letzten Jahres an der Universität Ouagadougou in Burkina Faso in einer bahnbrechenden Rede versprochen, im Rahmen der kolonialen Vergangenheitsbewältigung in den nächsten fünf Jahren die Voraussetzungen zu schaffen, um aus Afrika geraubte Kulturgüter zeitweilig oder endgültig zurückzugeben.
Er gehöre zu einer Generation von Franzosen, für die die Verbrechen der europäischen Kolonialisierung unbestreitbar und Teil ihrer Geschichte seien, so Macron.[2] Dass die Auseinandersetzung um postkoloniale Hinterlassenschaften Aufwind erfährt, könnte darüber hinaus auf einen „Ansteckungseffekt“ zurückzuführen sein – womöglich gar auf einen (von der Sache her absolut unangebrachten) nationalen, regionalen oder städtischen Wettbewerb um eine „Vorreiterrolle“ in Sachen postkolonialer Erinnerungskultur. Nach Macrons Vorstoß und der anhaltenden Kritik am geplanten Humboldt Forum in Berlin mit seinen abertausenden Ausstellungsstücken aus den ehemaligen Kolonien sehen sich nun offenbar auch das Auswärtige Amt sowie die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) unter Zugzwang. Bei ihrer ersten Auslandsreise nach der Wahl kündigte Grütters im April in Paris eine enge Zusammenarbeit mit Frankreich an. In ihrer nun zweiten Amtszeit will sie die Aufklärung des kolonialen Erbes in den Museen vorantreiben.
Doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei Grütters, anders als bei Macron, von Restitution – die Rückgabe geraubter Objekte als möglicher Ausgleich des erlittenen Unrechts – bislang keine Rede ist. Auch im Koalitionsvertrag wird lediglich die „Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen“ erwähnt.[3] Damit aber bleibt die Regierung bei der wissenschaftlichen Erforschung kolonialzeitlicher Erwerbs- und Raubzusammenhänge stehen. Die Ermöglichung von Restitutionsprozessen wird dagegen nicht in Erwägung gezogen, dabei hätte ein solcher Schritt eine weit größere politische und juristische Symbolkraft.
Festzuhalten bleibt auch, dass die wenigen neuen Passagen im Koalitionsvertrag die Handschrift einzelner Engagierter tragen und dass ausführende Passagen zum Thema Kolonialismus gänzlich fehlen – im Gegensatz etwa zu Vorhaben im Bereich Nationalsozialismus und SED-Unrecht. Bisher weniger beachtete Opfergruppen des Nationalsozialismus sollen anerkannt und ihre Geschichte aufgearbeitet werden, heißt es – völlig zu Recht – im Koalitionsvertrag.[4] Bislang unsichtbare Opfergruppen des Kolonialismus, nicht zuletzt die Nachfahren von Überlebenden des Völkermords in „Deutsch-Südwestafrika“ und der Vergewaltigungsopfer deutscher Kolonialsoldaten, bleiben indes unerwähnt. Während ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin und in Leipzig entstehen soll, ist im Koalitionsvertrag von einem Gedenkort für die Opfer deutscher Kolonialverbrechen oder von einer postkolonialen Bildungsstätte keine Rede.
Koloniale Mythen und Abwehrreflexe
Bis das Thema Dekolonialisierung als Querschnittsthema etabliert ist, ähnlich etwa wie Diversity oder Gleichstellung, ist es noch ein langer Weg und es ist längst nicht ausgemacht, dass er am Ende von Erfolg gekrönt sein wird. Zwar scheint die zukunftweisende Relevanz des Themas langsam in der Politik anzukommen – rund um die damit verbundenen Auseinandersetzungen ranken sich aber wirkmächtige Mythen und Abwehrreflexe.
Einer von ihnen erklärt den deutschen Kolonialismus zu einem Abenteuer, zu einer bloßen Episode: „Deutschlands Kolonialzeit war doch nur sehr kurz!“, lautet etwa eine beliebte Aussage. Sie bezieht sich meist auf die reichsdeutsche Kolonisierung, die rund drei Jahrzehnte, von 1884/85 bis 1918/19, andauerte. Diese 35 Jahre sind zum einen nicht so kurz – vergleicht man sie etwa mit den einschneidenden zwölf Jahren des Nationalsozialismus. Vor allen Dingen aber verkennt diese Ansicht, dass die deutsche Beteiligung an der europäischen Expansion und Kolonisierung bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht. Aus dem deutschsprachigen Raum beteiligten sich schon sehr früh mehrere Handels- und Geldhäuser, etwa Welser, Fugger und Ehinger. Außerdem stieg der „Große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm Brandenburg (1620-1688) im 17. Jahrhundert in den transatlantischen Versklavungshandel ein. Die Festung Groß Friedrichsburg, an der heutigen Küste Ghanas gelegen, diente der Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie (BAC) mit Sitz in Emden und ihrer Nachfolgeinstitution, der Brandenburgisch-Africanisch-Americanischen Compagnie (BAAC) von 1682 bis 1711 – also rund 30 Jahre lang – als Gefangenenlager, Folterkammer, Waren- und Menschenumschlagsplatz.
Hier schließt sich ein weiterer Kolonialmythos an: „Deutschland hatte mit dem Sklavenhandel nichts zu tun!“ Doch neben der direkten Beteiligung von einigen Banken, Reedern, Kapitänen, Seeleuten und Schiffsärzten aus deutschen Landen und Städten waren auch bedeutende Wirtschaftszweige in die Ökonomie des Sklavenhandels und der Plantagenarbeit involviert: Das Eisen für Folterinstrumente und Ketten, Seile, Ziegelsteine oder die Bekleidung für die versklavten Plantagenarbeiterinnen stammten auch aus deutscher Produktion. Diese Beteiligung beförderte eine agrarische und vorindustrielle Entwicklung deutscher Gebiete. Beispiele sind etwa die Textilregionen in Westfalen sowie die Leinenindustrie aus Osnabrück, im Bergischen Land, in Sachsen, Schwaben und Schlesien. Aber auch Eisenwaren aus dem Bergischen Land, Kupfer aus dem Harz, Glaswaren aus Böhmen und Gewehre aus Thüringen gehörten zu diesem Markt des deutschen Hinterlandes der transatlantischen Versklavungsökonomie. Diese Manufakturproduktion stärkte auch die Kaufkraft – nicht zuletzt für Kolonialwaren wie Tee, Tabak, Zucker, Kakao, Mahagoni.[5] Vermittelt durch Plantagenökonomien und die Versklavung von Afrikanern hielten so auch rassistische Bilderwelten und Diskurse Einzug in die deutsche Gesellschaft und entfalteten eine enorme Breitenwirkung.[6] Und der Profit der Banken und Handelshäuser zeigte sich nicht nur in den Prachtbauten in Barcelona, Lissabon, Bordeaux, Amsterdam, Kopenhagen und Liverpool, sondern auch in Altona, Bremen, Hamburg, Frankfurt und anderen deutschen Städten, wo reiche Kaufleute Museen, Stifte und Konzertsäle bauten.
Ein weiterer Mythos lautet: „Die deutsche Kolonialzeit ist lange vorbei und hat heute keine Relevanz mehr!“ Doch wer sich aufmerksam umschaut, entdeckt sehr viele koloniale Spuren. Mehrere hundert Jahre Kolonisierung und die damit verbundenen diskursiven Konstruktionen weißer Überlegenheit haben sich in Denkmälern, in Begriffen und Bezeichnungen für Orte und Menschen, in westlichen Philosophien und Anthropologien, in Kinderliedern, in Opern und Ölgemälden niedergeschlagen. Auch die globalen ökonomischen Machtverhältnisse der Gegenwart haben ihre Ursprünge in den jahrhundertelangen Kolonialverhältnissen. Die Folgen sind vielfältig und sitzen tief. Nicht zuletzt die ausstehende Anerkennung, Entschuldigung und Entschädigung für den Völkermord an den Ovaherero und Nama zeugen von den gegenwärtigen Echos lange vergangener Ereignisse. Es ist übrigens ein Kapitel, das der Koalitionsvertrag der Bundesregierung mit keiner Silbe erwähnt.
Die Herausforderungen der Dekolonialisierung
Bei der konkreten Auseinandersetzung rund um Dekolonialisierungsprozesse vor Ort stellen sich weitere große Herausforderungen:
- °Wie lassen sich bei Neukonzeptionen von Museen und Schulbüchern Re-Inszenierungen kolonialer Muster und Repräsentanzen vermeiden?
- °Welche Wege gibt es, koloniale Dokumente etwa durch Digitalisierung zugänglich zu machen, gleichzeitig aber einer Verbreitung erniedrigender und entmenschlichender Abbildungen, etwa aus Hagenbecks Menschenzoos, entgegenzutreten?
- °Wie lassen sich Entscheidungsprozesse gestalten, in denen Experten aus Deutschland und aus den ehemaligen Kolonien gleichermaßen zu Wort kommen?
- °Wo man sich zuhört und nicht ungefragt Pläne schmiedet, in Afrika Museen zu bauen und darüber zu bestimmen, wie wo und was ausgestellt werden kann?
- °Wie kann das ostafrikanische Brachiosaurus-Skelett im Berliner Naturkundemuseum als Objekt einer geteilten Geschichte für Menschen hierzulande und in Tansania zugänglich gemacht werden?
- °Wie kann das Kolonialerbe multiperspektivisch erforscht werden, wenn die meisten Archive aus Dokumenten bestehen, die Geschichte aus der Perspektive der Kolonisierenden erzählen?
- °Wie können einst als handlungsunfähige Objekte konstruierte Menschen als Subjekte mit eigenen Geschichten, Widersprüchen und Widerstandshandlungen sichtbar werden?
- °Wie lässt sich eine geteilte Geschichte erzählen, die die unterschiedlichen Erfahrungen, Wissensbestände, Ressourcen, Dringlichkeiten und Betroffenheit berücksichtigt?
Einige Institutionen und Bundesländer haben bereits einen Anfang gemacht. Hamburg etwa will schon seit 2014 das „koloniale Erbe“ der Stadt aufarbeiten, Bremen hat dies 2016 beschlossen und Berlins Abgeordnetenhaus wird demnächst über die „Entwicklung eines gesamtstädtischen (post-)kolonialen Erinnerungskonzepts“ abstimmen.
„Wir wollen die Aufarbeitung des ‚kolonialen Erbes‘ unserer Stadt mit Engagement vorantreiben. Dabei sind die Perspektiven und das Expertenwissen diesbezüglich relevanter Initiativen unverzichtbar und müssen in den Prozess eingebunden werden“, heißt es in der Hamburger Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Grünen von 2015.[7]
Nachdem einige Jahre Stillstand herrschte, plant die Kulturbehörde unter Senator Carsten Brosda (SPD) nun die Einrichtung einer Kommission mit beratender Funktion, in der zu einem möglichst hohen Anteil Experten … afrikanischer, asiatischer und südamerikanischer Herkunft aus Behörden und Institutionen wie Schulen und Museen sowie aus zivilgesellschaftlichen Gruppen vertreten sein sollen. Mit diesem Vorgehen soll in der Aufarbeitung ein Perspektivwechsel gelingen.
In Bremen hat die Kulturbehörde in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung bereits zweimal zu der Gesprächsrunde „Kolonialismus“ eingeladen und verschiedene Arbeitsgruppen mit Beratungsfunktion gebildet. Diese widmen sich etwa dem Umgang mit Straßennamen und Orten mit Kolonialbezug, Kolonialismus als Thema im Bildungsbereich sowie dem Abbau von strukturellem Rassismus in Verwaltung und Kulturinstitutionen.
Die Beteiligung verschiedener Akteure und die Durchführung öffentlicher Diskussionen sind elementare Bestandteile der Dekolonialisierungsprozesse. Im Idealfall tragen sie dazu bei, dass über die vielfältigen Aufarbeitungsansätze ernsthaft verhandelt wird, dass gemeinsam über die Gewaltgeschichte gelernt und dabei rassistisches Wissen verlernt wird. Die sozialen und politischen Transformationen, die eine Dekolonialisierung des öffentlichen Raums und des Wissens im Kontext einer globalisierten Gesellschaft mit sich bringen, rufen aber auch Kräfte auf den Plan, die ihre Privilegien in einer rassistisch strukturierten Welt in Gefahr sehen oder die sich gar zu den rund 13 Prozent zählen, die Weiße für führend in der Welt halten.[8]
Der Politologe Joshua Kwesi Aikins weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Debatten zwar kontrovers geführt werden müssen, dass sie aber die faktische Grundlage – nicht zuletzt die Einschätzungen der Vereinten Nationen von Kolonialismus als Unrecht mit bis heute anhaltender Wirkung – nicht in Frage stellen dürfen: Bei den Aushandlungsprozessen könne es nicht einfach um Meinung und Gegenmeinung gehen, die sich in einem demokratisch vermittelten Kompromiss einander annähern. Schließlich dürfe die Anerkennung von Verbrechen gegen die Menschheit nicht einfach unter einen Mehrheitsvorbehalt gestellt werden.[9]
Fest steht: Der deutsche Kolonialismus ist keine Meinung, sondern war ein Verbrechen. Seine Aufarbeitung mag zwar für manche als lästige Pflicht erscheinen, aber vielleicht wirkt sie am Ende befreiend – zumindest wenn sich die Einsicht einstellt, dass eine fortdauernde Ignoranz oder gar Leugnung der Kolonialverbrechen dem demokratischen Zusammenleben schadet.
*Anne Schwarzer, Das verdrängte Verbrechen, Plädoyer für eine Dekolonialisierung der Bundesrepublik, in: »Blätter« 6/2018, Seite 85-92
Fußnoten:
[1] Etwa der Audioguide für das Deutsche Historische Museum „Kolonialismus im Kasten?“ (www.kolonialismusimkasten.de), die Initiativen Berlin Postkolonial e.V. (www.berlin-postkolonial.de), Freedom Roads (www.freedom-roads.de) oder Freiburg Postkolonial (www.freiburg-postkolonial.de).
[2] Bénédicte Savoy, Restitutions du patrimoine africain: „ Il faut y aller dans la joie“, in: „Le Monde“, 11.1.2018.
[3] Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, März 2018, Zeilen 8048 f.
[4] Ebd. Zeilen 7953 f.
[5] Felix Brahm und Eve Rosenhaft (Hg.), Slavery Hinterland. Transatlantic Slavery and Continental Europe, 1680-1850, Woodbridge 2016.
[6] Wulf D. Hund, Wie die Deutschen weiß wurden. Kleine (Heimat)Geschichte des Rassismus, Stuttgart 2017.
[7] Koalitionsvertrag über die Zusammenarbeit in der 21. Legislaturperiode der Hamburgischen Bürgerschaft zwischen der SPD, Landesorganisation Hamburg, und Bündnis 90/Die Grünen, Landesverband Hamburg, S. 97.
[8] Wilhelm Heitmeyer (Hg.), Deutsche Zustände, Folge 1-10, Frankfurt a. M. und Berlin 2002-2011.
[9] Joshua Kwesi Aikins, Dekolonisierung als Demokratisierung des öffentlichen Raumes, in: Eine Welt Stadt Berlin (Hg.), Stadt neu lesen. Dossier zu kolonialen und rassistischen Straßennamen in Berlin, 2016.
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