aus dem Archiv
aus: FLUCHBLATT 56/1983
INFORMATIONEN FÜR RHEINISCHE THEOLOGIESTUDENTEN, Seite 33f
V.i.S.d.P.: Volker Alsdorf, Remmertblick 5, 7400 TÜBINGEN
HANNOVERANER RASSISMUS
Am 22. April 1983 hat die Hannoversche Landeskirche den Exil-Südafrikaner Dr. Ben Khumalo die Aufnahme in den kirchlichen Vorbereitungsdienst als Vikar verweigert. Der Grund für die Ablehnung ist Khumalos Eintrittserklärung in den African National Congress (ANC).
Schon in den siebeneinhalb Jahren, die er außerhalb Südafrikas lebt, hat Ben Khumalo den dortigen Befreiungskampf engagiert mitgetragen. Doch war er nie namentliches Mitglied der von ihm unterstützten Organisationen gewesen.
Durch das Anwachsen der von Pretoria ausgehenden menschenverachtenden Tyrannei sah sich Khumalo veranlasst, noch entschiedener, und zwar in organisierter Gemeinsamkeit gegen das weiße Ausbeutungssystem vorzugehen und trat dem ANC bei. Daraufhin erhielt er, ungeachtet dessen, daß er schon eine vorläufige Zusage in der Tasche hatte, eine Vorladung ins Landeskirchenamt und nach anderthalb-monatiger Wartezeit die endgültige Ablehnung seiner Aufnahme in den Vorbereitungsdienst. Die gegen den ANC-Beitritt angeführten Gründe nennen das wahre Entscheidungskriterium mit keinem Wort. Neben dem zum 183. Male erhobenem Vorwurf der Gewaltanwendung durch diese Organisation wird bezweifelt, dass der Exil-Südafrikaner mit einer bestimmten politischen Meinung noch andersdenkenden Gemeindegliedern mit dem Evangelium dienen kann. Dabei ist die Landeskirche in ihrer Entscheidung erstaunlich kompromisslos. Khumalos Angebot, seine Mitgliedschaft ruhen zu lassen, während seines kirchlichen Dienstes, wird nicht akzeptiert.
Der wahre Grund der Ablehnung aber wird im Folgenden deutlich: Angeblich fürchtet die Hannoversche Landeskirche, dass sich durch den ANC-Beitritt die Beziehungen zur ELCSA, ihrer schwarzen Partnerkirche in Südafrika, verschlechtert. Doch die ELCSA wünscht nachdrücklich, dass der Kampf gegen den Rassismus in der Hannoverschen Landeskirche einen Fürsprecher hat, was ein Brief von Bischof Dlamini an Ben Khumalo belegt. Es geht hier also gar nicht um die schwarze ELCSA. Allen Grund, sich über den ANC-Beitritt Khumalos zu ärgern, hat vielmehr die deutschsprachigen lutherischen Kirchen im Südlichen Afrika, die nur Weißen zugänglich sind und die die derzeitige Politik Weißer-Vorherrschaft zum Teil sehr aktiv mittragen. Die Hannoversche Landeskirche, der als Bischof ausgerechnet der Ratsvorsitzender der EKD Lohse vorsteht, ist nun aber so sehr mit den deutschsprachigen lutherischen Kirchen verflochten, das sie das Vorgehen des unterstützten Weißen-Minderheitsregimes gegen Andersdenkende in ihrem Bereich sogar teilweise kopiert: Ein Gegner des Rassismus wird mit Berufsverbot belegt, wo selbst die BRD trotz wirtschaftlicher Verflechtungen den südafrikanischen Flüchtlingen Asyl gewährt und nach der Anerkennung politische Betätigung erlaubt! Damit entpuppen sich frühere Beteuerungen der Hannoverschen Landeskirche, gegen Rassismus zu sein, nicht nur als Lippenbekenntnis, sondern als Verschleierung ihrer geradezu gegenteiligen Praxis: der Unterstützung der Apartheid.
Doch darf trotz allem Rassismus gegen irgendwelche Neger nicht vergessen werden, dass im Hannoverschen Landeskirchenamt gute Menschen sitzen. So wurde Ben Khumalo bis Ende 1983 monatlich 1600 DM angewiesen plus 2000 DM Spesen zur Suche eines neuen Berufes, verbunden mit dem Weggeleit: „Ihnen und Ihrer Familie wünschen wir, dass sich für Sie ein Weg finden lässt, der Ihren Fähigkeiten entspricht und durch den Sie ihr christliches und politisches Anliegen verwirklichen können. Gott möge Sie darin leiten.“
Abschrift: Ben Khumalo-Seegelken
25. 03.2012
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