Die „Freigeborenen“ und das Interesse an der Politik

Der junge Vater Njabulo Ndaba und seine Töchter vergnügt vor der Kamera 2016

50% der Bürgerinnen und Bürger Südafrikas sind 24 Jahre oder jünger. Auch der junge Vater auf dem Foto hat das rassistische Minderheitsregime der Apartheid fast nicht mehr erlebt.

Sonwabiso Ngcowa*, der Verfasser dieses Beitrags, wuchs in einer `Township´ bei Kapstadt auf. Als einer der ersten schwarzen Jugendlichen studierte er Business-Management sowie Human- und Sozialwissenschaften. Sonwabiso Ngcowa befragte die „Freigeborenen“ – Jugendliche, die 1994 nach der politischen Wende geboren wurden. Bei den Parlamentswahlen 2014 konnten sie das erste Mal ihre Stimme abgeben. Was bedeutet das für die jungen Menschen?

Wenn man heutige Jugendliche mit der Jugend während der Apartheid vergleicht, kann man sagen, junge Leute haben das Interesse an der Politik verloren. Oft habe ich gehört, in den 70er und 80er Jahren hätte ein Townshipschüler jede politische Debatte mit einem Studenten der Universität Stellenbosch oder Kapstadt gewonnen. Damals waren die Jugendlichen sehr engagiert. 1994 gingen Millionen Südafrikaner und Südafrikanerinnen zum ersten Mal in ihrem Leben wählen, auch viele Jugendliche. Wie sieht die Situation heute, 20 Jahre später, aus?

Skhumbuzo Hlahleni ist Balletttänzer bei Dance For All in Athlone bei Kapstadt: „Ja, ich habe 2014 bei den Parlamentswahlen gewählt. Aber ich verfolge die Politik nicht weiter. Ich hatte Geschichte im Schulunterricht, daher weiß ich, wie das politische System funktioniert. Mein Vater forderte mich auf, wählen zu gehen. Offensichtlich haben wir alle derselben Partei unsere Stimmen gegeben.“ Der Marimba-Musiklehrer Keegan Solomons in Heideveldt nahe Kapstadt meint: „Nein, ich habe gar kein Interesse an Politik oder an Wahlen. Manche Leute sagen mir, das sei falsch und ich solle mein Stimmrecht nutzen. Aber ich sehe keinen Grund dazu. Alle meine älteren Familienmitglieder gehen währen, aber nur wenige meiner Cousins und Freunde.“ Ähnlich lautet die Einschätzung von Ziyanda Bonkolo aus Masiphumelele bei Fish Hoek: „Ich bin nicht zur Wahl gegangen. Frag mich bitte nicht, warum. Es gibt keinen triftigen Grund.“

Asavela Beja aus Khayelitsha, einer `Township´ bei Kapstadt, hingegen ist überzeugt: „Ja, ich gehe wählen. Schließlich helfe ich damit der unabhängigen Wahlkommission.“ Tswarelo Sonti ist Jurastudent in Port Elizabeth. Sein Vater war Untergrundkämpfer für den MK – uMkhonto weSizwe -, den bewaffneten Arm des African National Congress (ANC). Sein Onkel starb im Exil: „Ich schäme mich nicht, zu sagen, welche Partei ich gewählt habe. Denn ich bin nicht nur Unterstützer, sondern auch Mitglied in der Regierungspartei ANC. Ja, der ANC macht Fehler, aber alle Mitglieder sind gemeinsam dafür da, Probleme zu lösen. Schließlich wollen wir dazu beitragen, Südafrika zu einem besseren Land zu machen für alle, die hier leben. Das Volk hat das Recht zu wählen. Es liegt am Volk, wen es an die Macht bringt.“

Jaime Sterling lebt in Fish Hoek und studiert an der Universität Stellenbosch. Er erzählt: „Meine Mutter war in dem Anti-Apartheid-Kampf involviert. Sie ging zu Treffen in Cato Manor und nahm an Studentenprotesten teil. Mein Vater wurde inhaftiert und saß im Gefängnis, weil er sich weigerte, in der südafrikanischen Armee zu dienen. Als ich aufwuchs, wurde mir bewusst, welche Opfer diese Menschen auf sich genommen haben. Deshalb bin ich stolz, dass ich 1994 geboren wurde. 2014 nahm ich erstmals an Parlamentswahlen teil, es war aufregend. Daran werde ich lange denken; auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin, was der ANC tut, den ich gewählt habe.“

Es ist schwierig, zu sagen, warum viele junge Leute nicht an Politik interessiert sind. Dabei sind Wahlen nur eine Form, wie man mit dem Staat interagiert. Viele Menschen in Südafrika, auch diejenigen, die nicht hier geboren wurden, tragen zum Erfolg des Landes bei. Ich mache mir Sorgen um junge Leute, die vor allem um das alltägliche Überlegen kämpfen müssen und in Familien aufwachsen, die nicht ein Ort größter Liebe, sondern größter Sorgen sind. Wenn wir diese jungen Menschen in den nächsten 20 Jahren nicht mitnehmen, sondern ausschließen, kann das zu schwerwiegenden Jugendprotesten führen.

*Sonwabiso Ngcowa, in SympathieMagazinSüdafrika verstehen“, Studienkreis für Tourismus und Entwicklung, 2016, Infos und Bestellung über https://www.sympathiemagazin.de/afrika-nahost-arabien/suedafrika.html

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