Südafrika beim Russland-Afrika-Gipfel:
Wo endet Freundschaft?
Ein Kommentar von Lutz van Dijk*
Beim Russland-Afrika-Gipfel muss sich besonders Südafrika heiklen Fragen stellen. Dabei geht es nicht nur um die Haltung zum Krieg in der Ukraine.
Zum Auftakt des zweitägigen Russland-Afrika-Gipfels in Sankt Petersburg sind am Donnerstag nur 17 Staatschefs der 54 Länder Afrikas erschienen – wesentlich weniger als beim ersten Gipfel 2019, als es noch 43 waren. So gab es diesmal Absagen aus Nigeria, Kenia, der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Sambia. Dabei sind außer Südafrika unter anderem Ägypten, Äthiopien, Mali, Senegal, Simbabwe und Uganda.
Ein Kreml-Sprecher machte für das Wegbleiben bereits den „Druck des Westens“ verantwortlich. Zu dem parallel stattfindenden Forum mit zahlreichen Arbeitsgruppen waren bis Donnerstag dagegen fast 1000 Delegierte aus afrikanischen Ländern angereist, allein 39 aus Südafrika unter Leitung von Präsident Cyril Ramaphosa.
Mit Spannung wird erwartet, worüber jenseits von Bekundungen zu historischen „Freundschaften“ zwischen der damaligen Sowjetunion (zu der auch die Ukraine gehörte, was gern vergessen wird) und Befreiungsbewegungen Afrikas konkret gesprochen werden wird:
Wird es auch um die drohenden Hungersnöte in Ländern Ostafrikas wie dem Sudan oder Tansania nach der russischen Aufkündigung des Getreideabkommens mit der Ukraine gehen? Deren Lieferungen können nun nicht mehr sicher beziehungsweise nur noch teilweise über teure Umwege stattfinden – wobei Russland jüngst selbst ukrainische Getreidesilos bombardierte. Wo werden afrikanische Länder eigene Positionen formulieren, auch bei bislang mehrheitlicher Enthaltung bei den UNO-Abstimmungen gegen Russlands Krieg gegen die Ukraine?
Auf dem ersten Russland-Afrika-Gipfel vor vier Jahren hatte Putin noch ausdrücklich die „Souveränität aller Länder“ betont. Er sprach von „bedingungsloser Hilfe beim Aufbau von Infrastrukturen in Afrika – anders als zahlreiche westliche Länder, die dies nur mittels Drohung oder Erpressung tun“. Nun sicherte Putin schon im Vorfeld des Gipfels zu, dass Russland in der Lage sei, „Getreide aus der Ukraine durch sowohl kommerzielle als auch kostenlose Lieferungen an notleidende Länder Afrikas zu ersetzen“. Dies auch als deutliche Kritik an der EU-Sanktionspolitik gegen Russland, obwohl dieses Angebot fragwürdig bleibt. Bereits jetzt sind seit dem Ende des Abkommens die Getreidepreise weltweit um 9 Prozent gestiegen.
Es gibt eine eigene Tradition, nach der Delegierte aus Russland und afrikanischen Ländern sich gegenseitig als „Freunde“ begrüßen, zuweilen auch Staatschefs mit Vornamen. Zuletzt geschehen Mitte Juni bei der Friedensmission sieben afrikanischer Staaten in der Ukraine und Russland.
Ramaphosas 10-Punkte-Plan
Trotz dieser Freundschaftsbekundungen sollte das Bemühen der Leitung dieser Mission durch Südafrikas Präsident Ramaphosa in Gesprächen mit Selenski und dann Putin nicht lächerlich gemacht, sondern als ernsthafter Vermittlungsversuch anerkannt werden. Auch weil Ramaphosas „10-Punkte-Plan“ kritisch gegenüber Russland vermerkte, dass „Kriegsgefangene und verschleppte Kinder freizulassen“ seien und die „Souveränität aller Staaten gemäß der UN-Charta anerkannt“ werden müsse. „Freund Wladimir“ ließ seinen Unmut unmittelbar spüren: Die russische Luftwaffe bombardierte Kyjiw, als Ramaphosa mit Begleitung dort eintraf und zunächst in einem Bunker Zuflucht suchen musste.
Brisant wurde die „Freundschaft“ Südafrikas mit Russland, als Ramaphosa als Gastgeber des nächsten BRICS-Gipfels in Johannesburg vom 22. bis 24. August auch Putin einladen sollte: Als Mitgliedsland des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), der einen Haftbefehl gegen Putin ausgestellt hatte, wäre er verpflichtet, ihn bei Einreise zu verhaften. Monatelang wurden alternative „Lösungen“ erkundet, wie die Verlegung des BRICS-Gipfels nach China, das kein IStGH-Mitglied ist, wie übrigens auch Russland und die USA nicht.
Erst kürzlich gab es ein allgemeines Aufatmen in Südafrika, als Putin bekannt gab, nicht zum nächsten BRICS-Gipfel zu reisen, sondern seinen Außenminister Lawrow zu schicken und selbst nur digital teilzunehmen. Inzwischen gibt es auch einen Gerichtsbeschluss in Südafrika, wonach Putin bei Einreise auch in Zukunft verhaftet werden müsste.
BRICS-Staaten nicht unterschätzen
Gleichwohl sollte die Bedeutung von BRICS (einem Zusammenschluss von Brasilien, Russland, Indien, China seit 2009, mit Südafrika seit 2010) nicht unterschätzt werden, da es als Gegenpol zu den reichsten Wirtschaftsnationen der G7 schon jetzt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentiert und mehrere Länder des globalen Südens (unter anderem Ägypten, Iran, Kuba, Saudi-Arabien und Uruguay) sich um Aufnahme bemühen.
Beim vorbereitenden Treffen der BRICS-Außenminister*innen Anfang Juni in Kapstadt betonte Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor, dass BRICS nicht nur historisch notwendig sei. Vielmehr hätten auch jüngst die reichen Länder des Nordens während der Coronapandemie gezeigt, „dass sie uns zuerst im Stich lassen“.
Wer als „Freund“ gilt, kann auch persönliche Privilegien erhalten: Nicht zufällig hält sich Südafrikas Ex-Präsident Jacob Zuma (81) derzeit zu „medizinischer Behandlung“ in Moskau auf. 2018 musste er wegen massiver Bereicherung auf Staatskosten zurücktreten und schafft es seitdem, sich einer Verurteilung trotz mehr als 70 Korruptionsanklagen zu entziehen.
Bislang gab es lediglich eine bescheidene Gefängnisstrafe wegen seiner Weigerung, vor Gericht zu erscheinen. Als diese Strafe letzte Woche bestätigt wurde, verlängerte Zuma seine ärztliche Versorgung in Russland auf unbestimmte Zeit.
*Lutz van Dijk, deutsch-niederländischer Historiker und Pädagoge, Dr.phil., geboren in Berlin, Lehrer in Hamburg, später Mitarbeiter des Anne Frank Hauses Amsterdam, bis 1994 Einreiseverbot nach Südafrika, seit 2001 in Kapstadt als Mitbegründer des Township-Kinderprojekts HOKISA. Mehr unter: www.lutzvandijk.co.za Veröffentlichungen u.a.: Afrika – Geschichte eines bunten Kontinents (Vorwort von Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu) 2016; Kampala-Hamburg (Roman einer Flucht) 2020.
- Quelle: taz, Südafrika beim Russland-Afrika-Gipfel, 27.07.2023
lieber Ben,
wir kennen uns schon lange, unser Kontakt beruht aber mehrheitlich auf E-Mail Basis, ich lese gerne deine Mitteilungen.
Die taz halte ich allerdings für ein miserables Blatt, das vorgibt fortschrittlich zu sein und doch nur die Meinung der Herrschenden widergibt. Meine Meinung zum Ukrainekrieg weicht allerdings sehr von der gängigen Meinung ab. Seit 2014 herrscht in der Ostukraine Krieg und die Ukraine hätte den Krieg vermeiden können mit der Anerkennung der Donbasrepubliken.
Nur drei Prozent des Getreides aus der Ukraine werden nach Afrika geliefert.
Leider bin ich gerade sehr in Zeitdruck, wollte aber meinen Unmut zum Ausdruck bringen. Ich hoffe sehr dass sich die afrikanischen Staaten mit russischer und chinesischer Hilfe vom Westen lösen können.
Solidarische Grüße
Ursula