„… ein Land wie jedes andere auch“?

KwelaseMzinyathi ngaseMnambithi

“21 Jahre Demokratie in Südafrika” – Ernüchternd bis besorgniserregend fällt die Bilanz aus, wenn die Lage im “neuen” Südafrika genauer betrachtet und daraufhin überprüft wird, wie weit Land und Leute heute “auf dem langen Weg in die Freiheit” sind.  

Fast in jeder Hinsicht ist Südafrika – das „neue“ Südafrika – inzwischen „ein Land wie jedes andere auch“ geworden, um es einmal mit Neville Alexander zu kennzeichnen.

Regelungen und Gesetze, die der Gesellschaft zugutekommen sollten und dem Land tatsächlich ein neues Gesicht gegeben haben, stehen inzwischen zusehends Fehlentwicklungen und Versäumnissen gegenüber, die den Alltag belasten und auf Dauer friedliches Zusammenleben ernsthaft erschweren – ja gar verhindern – können.

Kurskorrektur tut Not, wie es mittlerweile bestellt ist mit Recht und Gerechtigkeit im „neuen“ Südafrika.  Was gilt? Was soll werden? Ein paar Beobachtungen und einige Anmerkungen dazu:

–             Menschen, die an den Rand geraten – Wohnungslose und andere, finden immer seltener Gehör.

Müssen Wohnungslose [z.B. AbaHlali baseMjondolo] Zugeständnisse und ihr Recht immer erst vor Gericht erstreiten ? Wo bleibt weitschauendes und einfühlendes Handeln in der Politik?

–              Gewaltanwendung in öffentlicher Hand  findet immer öfter statt, wäre oft vermeidbar und ist häufig unverhältnismäßig; dies unterläuft gesellschaftliche Bemühungen um gewaltfreie Konfliktlösungen, gefährdet den sozialen Frieden und höhlt die rechtstaatliche Grundeinstellung, den rule of law, aus.

Müssen Polizisten Militärrangbezeichnungen [General, Brigadier, Leutnant, … ]  führen? Sollte in der Aus- und Fortbildung von Polizeikräften nicht eher auf gewaltfreie Kompetenzen statt auf Bedienung von militärisch anmutenden Tötungsgeräten gesetzt werden? Erschießung von Demonstrierenden darf nicht sein!

–              Die Mehrsprachigkeit droht kurzsichtigen Wirtschaftsinteressen geopfert zu werden.

Muss einer Grundschülerin in einer mehrsprachigen Gesellschaft abverlangt werden, sich zu Hause und sonst vorrangig mit nur einer von insgesamt 11 Landessprachen (nämlich Englisch) zu verständigen, wenn sie den Anforderungen im Unterricht und später im Beruf gewachsen sein will?

–              Südafrikas neues Gesicht als demokratischer Rechtstaat läuft Gefahr, aus wirtschaftspolitischem Kalkül  bis zur Unkenntlichkeit entstellt zu werden.

Müssen wirtschaftspolitische Interessen derart Vorrang bekommen, dass das Eintreten für Menschenrechte  darüber fallengelassen wird? Desmond Tutu musste unlängst seinen 80. Geburtstag ohne einen seiner eingeladenen Gäste, den Dalai Lama, feiern, dem vermutlich aus wirtschaftspolitischen Gründen die Einreise nicht gestattet wurde.  Das stimmt nachdenklich.

Dass der sudanesische Staatspräsident Omar Al-Bashir, der steckbrieflich zur Auslieferung an den Internationalen Gerichtshof ausgeschrieben worden ist, in Südafrika ein- und ausreisen konnte, ohne dass er  –  wie erwartet  –  festgenommen und ausgeliefert worden wäre, nährt den neuerdings wieder oft zu vernehmenden Zweifel an der Festigkeit des jungen Rechtstaates und stellt die völkerrechtliche Integrität des Landes zweifellos nachhaltig in Frage.

Weitgehend ziemlich gleichgültig, wenn nicht gerade unverhohlen billigend oder gar lauthals fordernd, verhält sich der größere Teil der Zivilgesellschaft gegenüber sich häufenden Fällen von Rechtsverletzung durch politisch Handelnde. Zufluchtsuchende aus den Nachbarländern, die – wie neulich [seit Februar 2015] wieder – in Soweto und andernorts Opfer menschenfeindlicher Angriffe werden, hoffen oft vergebens darauf, dass etwa eine nennenswerte und anhaltende Welle der Parteinahme zu ihren Gunsten je erfolgen würde.

Ich meine: Im Alltag soll sich bewähren, was einst verhandelt, verabredet und festgelegt wurde. Die Tauglichkeit von Grundsätzen  erweist sich darin, dass sie verlässlich bleiben, offen bleiben für konstruktive Kritik und stets überdacht und eventuell erneuert werden können. Das „neue“ Südafrika könnte dann in gutem Sinne „ein Land wie jedes andere auch“ werden – ein demokratischer Rechtstaat, dem insbesondere die eigene Verfassung verlässlich-wegweisend bleibt.

Ben Khumalo-Seegelken

>> siehe: VORTRAG – Nach Nelson Mandela

2 Kommentare zu diesem Artikel bisher »

Kommentare zu »„… ein Land wie jedes andere auch“?«

  1. […]                eine Beobachtung dazu >> 20 Jahre Demokratie – Südafrika : 1994-2014 ; >> Ernüchternd […]

  2. […] Bisweilen kommt es einem eher vor, als sei jener Weg bereits verlassen und fast vergessen. Ein „Land wie jedes andere auch“ ist das „neue“ Südafrika nämlich inzwischen fast in jeder Hinsicht […]

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